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Die freischwebende Wendeltreppe im Außenministerium in Brasilia von Oscar Niemeyer.

© Dagmar Dehmer

Brasilien-Tagebuch: Kontinentale Ausmaße

Tagesspiegel-Politikredakteurin Dagmar Dehmer ist eine Woche lang mit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Brasilien unterwegs. In ihrem Online-Tagebuch schildert sie ihre Eindrücke aus dem lateinamerikanischen Land. Die dritte Folge handelt von Brasiliens Größe.

André Pepitone da Nóbrega sagt es ganz beiläufig: „Brasilien ist ein Land kontinentalen Ausmaßes.“ Der stellvertretende Leiter der brasilianischen Bundesnetzagentur ANEEL spricht über den Energiebedarf seines Landes. Der Strombedarf wächst um fünf Prozent im Jahr. Brasilien verfügt über Kraftwerke mit einer Kapazität von 122 000 Megawatt, bis 2024 sollen es 244 000 Megawatt sein. Der größte Teil davon sind gigantische Wasserkraftwerke. Aktuell sind drei neue im Bau mit Kapazitäten von 3500 bis 11 200 Megawatt in Belo Monte. Bisher werde lediglich 35 Prozent des Wasserkraftpotenzials genutzt, sagt Nóbregas-Chef Nelson Hübner. Und die Atomenergie werde in der brasilianischen Energiestrategie nur dann wieder eine große Rolle spielen, „wenn internationale Umweltschützer es unmöglich machen sollten, neue Wasserkraftwerke zu bauen“. Wenn im Amazonasgebiet nur ein Prozent der Landfläche für die Wasserkraft genutzt werde, könne Brasilien seinen Bedarf komplett aus klimafreundlichen Quellen decken, argumentiert Hübner.

In Brasilien werden übrigens jedes Jahr zwischen 4000 und 5000 Kilometer Höchstspannungsleitungen gebaut, in Deutschland keine 200. Selbst die kleine Wasserkraft ist in Brasilien groß. Unter 30 Megawatt nimmt das keiner ernst, und damit lassen sich immerhin 50 000 Haushalte versorgen. Doch Brasilien hat auch bei der Stromversorgung der armen Landbevölkerung Gewaltiges vollbracht. Innerhalb von zehn Jahren hat das Land mit dem Programm „Licht für alle“ rund 2,6 Millionen ländlicher Haushalte, das sind etwa 15 Millionen Menschen, ans Stromnetz angeschlossen. Ulrich Krammenschneider, Chef des Landesbüros der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), spricht deshalb auch davon, dass manche Entwicklungen in Brasilien globale Ausmaße annehmen können. Das gilt vor allem für den Regenwald Amazoniens.

Deutschland ist jedenfalls im Vergleich zu Brasilien ein Zwerg. Das ganze Land würde schon in einzelne brasilianische Bundesstaaten passen. Ganz Westeuropa ließe sich im Amazonasgebiet unterbringen. Wegen des noch immer bei rund 7000 Quadratkilometer pro Jahr liegenden Regenwaldverlusts – vor zehn Jahren waren es noch 24 000 Quadratkilometer - produziert Brasilien 1,4 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr. Da ist Deutschland allerdings nah dran mit 1,1 Millionen Tonnen. Bei der Artenvielfalt kommt Deutschland dagegen auf bescheidene 76 000 Arten, und Brasilien bringt es auf 1,458 Millionen bisher bekannte Arten. So reiht sich Superlativ an Superlativ.

Was die schiere Größe des Landes bedeutet, wenn man in einer Woche sieben Städte in unterschiedlichen Landesteilen besucht, lässt sich leicht ausrechnen. Man verbringt viel Zeit in Flugzeugen und noch mehr Zeit im Bus. Eine Sammlergemeinschaft der Heilpflanze Jaborandi zu besuchen, hat gute vier Stunden gedauert, von Teresina, der Hauptstadt von Piauí, bis in das abgelegene Dorf im Wald. Von dort dauerte es weitere sechs Stunden, um nach Parnaíba zu gelangen. Dort steht die Fabrik, in der die Blätter verarbeitet werden. Und dann geht es wieder fünf Stunden zurück nach Teresina. Die nächste Station ist das erste Solarstadion Brasiliens in Salvador.

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