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Politik: Bremer Taliban: Deutsche Soldaten haben mich gequält

Bundesregierung sagt Prüfung der Vorwürfe zu. Opposition verlangt Aufklärung im BND-Ausschuss

Von Barbara Junge, Berlin und Eckhard Stengel, Bremen

Der als „Bremer Taliban“ bekannt gewordene und Ende August aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo freigelassene Bremer Türke Murat Kurnaz erhebt schwere Vorwürfe gegen deutsche Soldaten. Nach seiner Gefangennahme Ende 2001 in Afghanistan sei er in Kandahar – in US-Gefangenschaft – von zwei Soldaten mit der deutschen Flagge auf dem Ärmel misshandelt worden. Auch berichtet Kurnaz in einem Interview mit dem „Stern“, er sei mehrfach von deutschen Beamten in Guantanamo befragt worden. Bisher hat die Bundesregierung nur eine Befragung in dem Lager auf Kuba zugegeben. Das Verteidigungsministerium versprach eine sehr genaue Prüfung.

Der heute 24-Jährige war im Herbst 2001 nach Pakistan gereist und hatte dort Moscheen besucht. Bei einer Buskontrolle wurde er als mutmaßlicher Al- Qaida-Kämpfer festgenommen und nach seinen Angaben zunächst in ein US-Geheimgefängnis in Kandahar gebracht, bevor er für viereinhalb Jahre ohne Anklage nach Guantanamo kam. In Kandahar sei er eines Abends zu zwei deutschen Soldaten geführt worden. Sie hätten Tarnuniformen mit deutscher Flagge am Ärmel getragen. „Ich musste mich hinlegen, die Hände auf dem Rücken gefesselt“, erzählt Kurnaz. Einer der beiden habe ihn an den Haaren hochgezogen und dann den Kopf auf den Boden geschlagen. „Die Amerikaner fanden das lustig.“ Nach Informationen des „Stern“ handelte es sich „aller Wahrscheinlichkeit nach“ um Angehörige der Eliteeinheit „Kommando Spezialkräfte“ (KSK), die damals einzigen deutschen Soldaten in Kandahar. Kurnaz sagt auch, dass er in Guantanamo mehrfach vom deutschen Verfassungsschutz vernommen worden sei. Sein Anwalt Bernhard Docke sagte dem Tagesspiegel, der zweite Besuch habe 2004 stattgefunden.

Im Geheimbericht der Bundesregierung für das Parlamentarische Kontrollgremium (PKG) steht zu Kurnaz aber nur eine Befragung: am 23. und 24. September 2002. In dem Bericht ist auch das Angebot der USA aus dem Jahr 2002 vermerkt, Kurnaz zu entlassen – und die Ablehnung durch die Bundesrepublik.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) sagte zu den Einlassungen von Kurnaz: „Wir nehmen diese Vorwürfe ernst und wir werden sie sehr konsequent verfolgen.“ Erste Befragungen, so ein Sprecher Jungs, hätten keine Anhaltspunkte für Misshandlungen ergeben. Alle damals in Kandahar eingesetzten Soldaten würden jetzt aber zur Abgabe dienstlicher Erklärungen aufgefordert. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte zu den Aktivitäten der deutschen Nachrichtendienste, die Regierung habe diese in ihrem Bericht an das PKG dargestellt. Er habe dem nichts hinzuzufügen.

Eine Kurnaz-Befragung hat der BND- Untersuchungsausschuss schon beschlossen, sagte der FDP-Politiker Max Stadler. Er forderte die Regierung zu einer Stellungnahme auf, „erst dann kann man die Vorwürfe seriös bewerten“. Der Vorsitzende des Ausschusses, Siegfried Kauder (CDU), sagte dem Tagesspiegel: „Ich halte diese Vorwürfe für irreal.“ „Allerdings muss man auch irrealen Vorwürfen nachgehen.“ Auch die Vorwürfe des durch die CIA entführten Khaled al Masri hätten zunächst irreal geklungen. Kauder sagte aber, dass ein Fehlverhalten von Soldaten gemäß Grundgesetz nicht Thema im Ausschuss sein könne, das sei Sache des Verteidigungsministeriums. Ob die Vernehmungsfrage zum Untersuchungsauftrag gehöre, müsse man nun prüfen.

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