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Politik: Briten feiern mit Ingwerbier

London - Die Briten waren am Sonntag vielleicht die Einzigen, die den „VE Europe Day“ unbeschwert von moralischen oder historischen Komplikationen feiern konnten. Prinz Charles, der neue Verteidigungsminister John Reid und Offiziere der Streitkräfte legten am „Cenotaph“, dem Kriegerdenkmal in Whitehall, Kränze nieder.

London - Die Briten waren am Sonntag vielleicht die Einzigen, die den „VE Europe Day“ unbeschwert von moralischen oder historischen Komplikationen feiern konnten. Prinz Charles, der neue Verteidigungsminister John Reid und Offiziere der Streitkräfte legten am „Cenotaph“, dem Kriegerdenkmal in Whitehall, Kränze nieder. Im vielen Städten wurden nostalgische Straßenfeste gefeiert. In Erinnerung an die Kriegsrationen wurden Ingwerbier und Marmeladenbrote gereicht, dazu tanzte man zu Glenn-Miller-Musik den Jitterbug. Sogar die alten Lancaster-Bomber durften noch einmal aufsteigen und „Poppies“, das Symbol für die gefallenen Soldaten, vom Himmel streuen.

Die Briten stehen unter den vom Blutbad des Zweiten Weltkriegs direkt betroffenen Ländern Europas heute als Einzige in einer durch politische und soziale Verwerfungen nicht unterbrochenen Kontinuität mit dem Land der Kriegsgeneration. Waren die Kriegsereignisse für die anderen identitätsvernichtend, sind sie für die Briten identitätsstiftend geblieben. Deutschland war an den britischen Feiern nicht beteiligt. „Für uns ist das eine ,No-Win-Situation“, hatte Deutschlands Botschafter Thomas Matussek bei einer Journalistenrunde erklärt. Doch in Gesprächen mit englischen Journalisten warf er den Briten dann ihre Besessenheit mit der NS-Geschichte vor. Er warnte, Deutschland und Großbritannien lebten sich auseinander. Als Beleg dafür führen Deutschlands Diplomaten in der Regel die sinkende Zahl von Deutschlernenden an. Auch besuchen mehr Deutsche England als andersherum. Matussek drängte erfolgreich auf eine Akzentverschiebung im englischen Geschichtsunterricht, der zu sehr mit der Hitlerzeit befasst sei.

Für deutsche Diplomaten ist es in den letzten Jahren schwerer geworden, ein positives Deutschlandbild zu verkaufen. In den Medien überwiegen Berichte über den Niedergang Deutschlands, seine angebliche „Reformschwäche“ oder jüngstens die „Kapitalismuskritik-Debatte“ mit ihren antiangloamerikanischen Untertönen.

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