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Politik: Briten reduzieren Truppen im Irak um die Hälfte

Brown kündigt Verbleib von 2500 Soldaten in der Region Basra an – Experten und Demonstranten fordern vollständigen Abzug

Von Markus Hesselmann

Berlin - Die erste Debatte nach der Sommerpause begann wie zuletzt so viele Parlamentssitzungen in London. Der Premierminister gedachte der britischen Soldaten, die im Irak ums Leben gekommen sind. Sieben starben seit Juli, 170 seit Beginn des Feldzugs 2003. Gordon Brown sprach den Angehörigen sein Beileid aus. Dann machte er eine Ankündigung, die vor allem den noch am Golf verbliebenen Soldaten und ihren Angehörigen Hoffnung macht. „Bis zum Frühjahr 2008 werden wir die britischen Truppen im Irak auf 2500 Mann reduzieren“, sagte Gordon Brown Das entspricht einer Halbierung des britischen Kontingents.

Die Lage in der Region Basra habe sich so weit beruhigt, dass die Iraker jetzt dort selbst die Verantwortung übernehmen könnten, sagte Brown. 30 000 irakische Sicherheitskräfte seien zu diesem Zweck ausgebildet worden. Forderungen nach einem Termin für einen vollständigen Truppenabzug, die während der Parlamentssitzung auch aus den Reihen der eigenen Partei kamen, wies Brown zurück. Der weitere Abbau erfolge jeweils nach Analyse der Sicherheitslage. Ursprünglich seien 45 000 britische Soldaten im Irak im Einsatz gewesen. Brown kündigte an, dass 500 Soldaten künftig außerhalb des Iraks an einem noch zu benennenden Ort in der Region stationiert würden und dass es die Kapazität für „Re-Interventionen“ geben werde. Brown verteidigte den Einsatz im Irak. „Lassen Sie uns nicht das Böse vergessen, das Saddam Hussein getan hat. Lassen Sie uns nicht vergessen, dass wir im Irak eine Demokratie aufbauen.“ David Cameron, Chef der oppositionellen Konservativen, forderte eine unabhängige Untersuchung zum britischen Einsatz im Irak.

Tausende Kriegsgegner demonstrierten am Montag in London für das sofortige Ende der britischen Militärpräsenz im Irak. Der liberale Thinktank Oxford Research Group stellte eine Studie zum Thema vor und forderte den Premier zum vollständigen Rückzug aus dem Irak sowie zum schrittweisen Truppenabbau in Afghanistan auf. „Jeder einzelne Aspekt des Krieges gegen den Terrorismus war im Irak und in Afghanistan kontraproduktiv, von den Opfern unter Zivilisten bis hin zu Massenverhaftungen ohne Gerichtsverfahren. Es war ein Desaster“, sagte Studienleiter Paul Rogers. Der Westen habe damit der Terrororganisation Al Qaida ungewollt in die Hände gespielt. „Der Westen muss einfach erkennen, welche gefährlichen Fehler in den letzten sechs Jahren gemacht wurden, und die Notwendigkeit einer neuen Politik erkennen.“ Um das Terrornetzwerk Al Qaida besiegen zu können, müsse der Westen sein Vorgehen grundlegend ändern und dürfe auf keinen Fall den Iran angreifen.

Im Konflikt um das iranische Atomprogramm hält sich Brown allerdings alle Optionen offen. „Ich schließe nichts aus“, sagte er im Hinblick auf ein mögliches militärisches Eingreifen. Er glaube dennoch, dass sich diese Frage mit diplomatischen Mitteln lösen lasse, sagte Brown am Montag bei einer Pressekonferenz in der Downing Street Nummer zehn.

Die Ankündigung seiner Grundsatzerklärung zum Irak war in den britischen Medien als weiteres Indiz für bevorstehende Wahlen gewertet worden. Brown wolle mit einer Truppenreduzierung punkten, wurde spekuliert. Schließlich ist der Irak das größte politische Problem, das Brown bei seinem Amtsantritt im Juni von seinemVorgänger Tony Blair übernommen hat. Doch am Wochenende vor seinem Auftritt im Unterhaus teilte Brown mit, dass es in den kommenden Monaten keine Wahlen geben werde.

Brown äußerte sich auch zu Kommentaren der Opposition und der Medien, er habe klein beigegeben, weil die Meinungsumfragen nach dem erfolgreichen Parteitag der Konservativen zu seinen Ungunsten gekippt seien. Er wolle einen längeren Anlauf für Wahlen nehmen und den Bürgern zeigen, wie seine Vision für Großbritannien aussehe, sagte Brown. Der Premier gab aber auch zu, dass er Wahlen durchaus in Betracht gezogen habe. In Großbritannien kann der Premierminister den Wahltermin festsetzen. Brown hat dafür bis 2010 Zeit.

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