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Politik: Briten wollen Landkarte des Extremismus erstellen

Integrationsministerin Kelly übt wachsenden Druck auf Muslime aus / Unis sollen Studenten überwachen

Die britische Ministerin für Integration, Ruth Kelly, hat die Kommunen zu einem härteren Vorgehen gegen Extremismus aufgefordert. Kelly will eine Landkarte veröffentlichen, auf der Zentren des „islamischen Extremismus“ verzeichnet sind. Bei einem Treffen in London beriet sie mit Polizeipräsidenten und Vertretern aus Städten und Gemeinden darüber, wie solche „Hotspots“, etwa Moscheen oder Universitätsverbände, aufgebrochen werden könnten. „Der neue Extremismus ist das größte Sicherheitsrisiko für Kommunen“, sagte Kelly. Die Regierung habe einen neuen Kurs eingeschlagen. Nun müssten die Gemeinden folgen.

Kelly erwartet von der Polizei und den Gemeinderäten, dass diese ihrem Ministerium die notwendigen Informationen für die geplante Extremistenlandkarte liefern. Insbesondere sollen sie ermitteln, wo jungen Muslimen extremistisches Gedankengut nahe gebracht wird. Kelly hatte nach der Aufdeckung der mutmaßlichen Anschlagserie auf Transatlantikflüge im Sommer als erste britische Ministerin seit 30 Jahren Kritik am Modell des „Multikulturalismus“ geübt. „Haben wir religiöse und ethnische Differenzen auf Kosten des nationalen Zusammenhalts gefördert?“, fragte sie. Seither hat eine Flut neuer Debatten bei den knapp zwei Millionen britischen Muslimen wachsende Verunsicherung ausgelöst. Muhammad Abdul Bari, der Vorsitzende des britischen Muslimrats MCB, beschwerte sich in einem Schreiben an Kelly über den „steten Strom stigmatisierender Verlautbarungen über die Muslimgemeinde“. Er hob hervor, Muslime würden überdurchschnittlich oft von der Polizei überprüft.

Kelly hatte in der vergangenen Woche damit gedroht, Muslimorganisationen, die sich am Kampf gegen den Extremismus nicht aktiv beteiligten, die Finanzhilfe zu streichen. Dabei hatte sie den MCB im Sinn, der bisher der engste Gesprächspartner der Regierung unter den Muslimen gewesen ist. Nach Kellys im einzelnen noch unveröffenlichten Vorschlägen sollen nach Informationen der Zeitung „Guardian“ Universitätsdozenten aufgefordert werden, ein wachsames Auge auf „asiatisch aussehende Studenten“ zu haben. Universitäten sollen verdächtige Studenten oder Gastdozenten den zuständigen Polizeistellen melden. Das Ministerium glaubt, dass islamische Universitätsvereinigungen zunehmend radikalisiert und zur Rekrutierung von Extremisten genutzt werden. Einer der Verdächtigen der vereitelten Flugzeuganschläge leitete die Islamvereinigung einer Londoner Universität.

Alle Parteien wollen gegen die Selbstabschottung der muslimischen Bevölkerung vorgehen. Schatteninnenminister David Davis von der Konservativen Partei warnte vor dem Entstehen „geschlossener Gesellschaften mitten in der offenen Gesellschaft“. Er forderte „entschlossene Signale, was die Gesellschaft akzeptiert und was nicht“. Gleichzeitig warf er den Muslimen vor, auf Kritik „übertrieben empfindlich“ zu reagieren.

Die Briten sind schon dabei, den Muslimen engere Grenzen zu ziehen. Ein neues Gesetz soll Konfessionsschulen vorschreiben, mindestens 25 Prozent Schüler anderer Konfessionen aufzunehmen. Die vom früheren Außenminister und heutigen Fraktionschef Jack Straw angestoßene Debatte über den Gesichtsschleier von Frauen tobt. Eine muslimische Grundschullehrerin zog vor Gericht, als ihr verboten wurde, im Unterricht ihr Gesicht zu verhüllen. Krankenhäuser haben den Gesichtsschleier für Begegnungen mit Patienten verboten. Eine ehemalige Ministerin kritisierte den Schleier, weil er Frauen hindere, ihre volle Rolle in der Gesellschaft zu spielen – eine Äußerung, die vor ein paar Monaten noch undenkbar gewesen wäre.

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