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Politik: Britisches Beef darf wieder exportiert werden Deutschland hält EU-Beschluß für verfrüht

BRÜSSEL (Tsp/rtr/AP). Mehr als drei Jahre nach dem Beginn des BSE-Skandals hat die EU-Kommission am Mittwoch beschlossen, das Exportverbot für britisches Rindfleisch zum 1.

BRÜSSEL (Tsp/rtr/AP). Mehr als drei Jahre nach dem Beginn des BSE-Skandals hat die EU-Kommission am Mittwoch beschlossen, das Exportverbot für britisches Rindfleisch zum 1. August weitgehend aufzuheben. EU-Agrarkommissar Franz Fischler sagte in einem Interview, die Europäische Union sei überzeugt, daß britisches Rindfleisch wieder sicher sei. Nach dem Beschluß darf jedoch nur knochenloses Fleisch von britischen Rindern exportiert werden, die nach dem August 1996 geboren wurden. Die Bundesregierung äußerte sich skeptisch über die Aufhebung des Exportverbots. Die Rinderseuche hat nach Schätzungen finanzielle Verluste von insgesamt sechs Milliarden Dollar (über elf Milliarden Mark) verursacht.Ein Sprecher des EU-Agrarkommissars bestätigte in Brüssel eine entsprechende Entscheidung der Kommission. Die Ausfuhrbestimmungen für britisches Rindfleisch seien künftig sehr streng, so daß sichergestellt sei, daß es keine Erreger der Hirn- und Nervenkrankheit BSE enthalte. Das für den Export bestimmte Fleisch darf nur aus ausgewählten Schlachthöfen stammen. Die Rinder müssen nach dem August 1996 geboren sein, denn zu diesem Zeitpunkt war es bereits verboten, Fleisch- und Knochenmehl aus Rinderkadavern zu verfüttern. Das Tiermehl gilt als BSE-Überträger.Die Bundesregierung ist weiterhin skeptisch, ob britisches Rindfleisch tatsächlich unbedenklich ist. Der Sprecher des Bundeslandwirtschaftsministeriums erklärte am Mittwoch in Bonn auf Anfrage, die Aufhebung des Exportverbots durch die EU-Kommission komme zu früh. Es gebe noch Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des britischen Kontrollsystems. Außerdem erkrankten in Großbritannien noch immer rund 300 Rinder pro Monat an BSE. Für den Verbraucher bestehe trotzdem kein Grund zur Hysterie. "Wer sichergehen will, soll deutsches Rindfleisch essen", sagte der Sprecher. Deutschland sei nach wie vor BSE-frei.Ähnlich äußerte sich der Deutsche Bauernverband. Die Aufhebung des Exportverbots sei verfrüht. Es seien zwar Fortschritte bei der Bekämpfung der Seuche in Großbritannien zu verzeichnen; trotzdem gebe es nach wie vor BSE-Erkrankungen in britischen Rinderherden. Der Beschluß der EU-Kommission bedeute aber nicht automatisch, daß britisches Fleisch auch auf den deutschen Markt gelange. Die Vieh- und Fleischwirtschaft in mehreren Bundesländern habe bereits vor der EU-Entscheidung einen Verzicht auf Importe aus Großbritannien vereinbart. Diese Entscheidung solle jetzt umgesetzt werden. Kritik übte auch die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände. Derzeit gebe es für eine Aufhebung des Embargos keine hinreichende wissenschaftliche Begründung. Die Übertragungswege der Rinderseuche BSE seien weiterhin nicht eindeutig geklärt.Die nordrhein-westfälische Agrarministerin Bärbel Höhn sagte, sie halte es für unverantwortlich, daß Großbritannien ohne die Einführung eines BSE-Schnelltests wieder Rindfleisch exportieren dürfe. Die EU selbst habe vor kurzem solche Tests wissenschaftlich anerkannt. Noch 1998 seien in Großbritannien über 3000 BSE-Fälle aufgetreten. Höhn hatte sich in der Vergangenheit vehement für die Einführung von Schnelltests ausgesprochen, die in Nordrhein-Westfalen bereits erfolgreich angewandt werden.Uneins sind sich die verbraucherpolitischen Sprecherinnen der Europa-Fraktionen von SPD und Grünen. Die Grüne Hiltrud Breyer nannte den Kommissionsbeschluß "völlig unverständlich" und forderte wie Höhn einen verbindlichen Schnelltest auf BSE in der gesamten EU. Ihre SPD-Kollegin Dagmar Roth-Behrendt sieht dagegen in Breyers Kritik "eine Menge Populismus". Sie sagte dem Tagesspiegel, die EU-Kommission dürfe einen solchen Test gar nicht vorschreiben, sondern nur das Europäische Parlament.Der britische Bauernverband erklärte, mit dem Zugang zu den Überseemärkten werde es einen Vertrauensschub für britisches Rindfleisch geben. Der 1. August sei ein Feiertag für die britischen Landwirte. Es sei aber unwahrscheinlich, daß allein durch die Ausfuhrgenehmigung die weggebrochenen Märkte zurückerobert werden könnten.Der Rindfleischverbrauch war 1996 stark zurückgegangen, nachdem die britische Regierung einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr verseuchten Rindfleisches und einer neuen Variante der tödlichen Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK) beim Menschen nicht mehr ausgeschlossen hatte. Etwa 40 Menschen starben seitdem an dieser Erkrankung.

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