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FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle (67) verlangt, dass die Reformen umgesetzt werden, welche die griechische Regierung versprochen hat.

© Thilo Rückeis

Brüderle im Interview: „Griechenland muss jetzt liefern“

FDP-Fraktionschef Brüderle erklärt im Interview, warum er auf Athens Zusagen pocht und warum er nichts vom Plan der Europäischen Zentralbank hält, Anleihen kriselnder Staaten ab einem bestimmten Zinsniveau zu kaufen.

Von Antje Sirleschtov

Herr Brüderle, vergangene Woche war der griechische Regierungschef Antonis Samaras in Berlin. Er hat die Deutschen um etwas Aufschub für die Reformen gebeten. Warum geben Sie Athen nicht mehr Luft zum Atmen?

Europa ist Griechenland bereits sehr weit entgegengekommen. Wenn jetzt Rufe nach einem weiteren Entgegenkommen laut werden, ohne dass die Zusagen erfüllt werden, muss einen das skeptisch machen. Es muss das Prinzip gelten: Keine Leistung ohne Gegenleistung. Griechenland muss jetzt liefern. Die von der griechischen Regierung zugesagten Reformen müssen jetzt umgesetzt werden.

Gibt es für die Liberalen überhaupt noch zeitlichen Spielraum, den man Athen gewähren könnte?
Die Kernzeitachse muss beibehalten werden. Die Iren haben auch keinen Aufschub bekommen, sondern die nötigen Reformen zügig umgesetzt. Und das zahlt sich in Irland und für Europa bereits aus.

Was ist eine Kernzeitachse, Herr Brüderle?
Das ist der mit den Griechen vereinbarte Fahrplan. Es geht doch nicht um ein paar Tage oder Wochen, sondern um Disziplin und den ernsthaften Reformwillen. Den drohenden Irrweg kann man gerade beim Fraktionschef der SPD, Herrn Steinmeier, sehen. Er fordert, den Griechen ein Jahr Aufschub zu gewähren. Das halte ich für falsch. Das ist auch den deutschen Steuerzahlern nicht zu vermitteln.

Die Europäische Zentralbank plant, Staatsanleihen notleidender Euro-Länder ab einem bestimmten Zinsniveau aufzukaufen. Warum wehrt sich die FDP dagegen?
Die Europäische Zentralbank ist für die Geldwertstabilität verantwortlich und nicht dafür, Zinsniveaus festzulegen. Zinsen sind Marktsignale, die nicht planwirtschaftlich festgelegt werden können. Die EZB sollte sich auf ihre Kernaufgabe konzentrieren.

Im ersten Halbjahr 2012 hat Deutschland gut acht Milliarden Euro Überschüsse in den öffentlichen Haushalten erwirtschaftet. Gibt es jetzt genug Geld, um alle Wünsche zu erfüllen?
Die Zahlen zeigen: Deutschland wird gut regiert und steht deshalb gut da. Nun muss mit den Überschüssen vernünftig umgegangen werden. Die Hälfte der Mehreinnahmen des Bundes sollte in die Schuldentilgung fließen und die andere Hälfte zur Entlastung der Bürger herangezogen werden.

Die Abschaffung der Praxisgebühr steht nicht mehr zur Diskussion?
Die gute Konjunktur hat zu massiven Überschüssen bei den Krankenkassen geführt. Krankenkassen sind aber keine Sparkassen der Nation. Deshalb müssen entweder die Beitragssätze verringert werden oder die Praxisgebühr muss abgeschafft werden. Ich bin für Letzteres, weil die Gebühr verwaltungsaufwendig ist und keinerlei Lenkungsfunktion hat. Auf jeden Fall muss es zu einer Entlastung der Bürger kommen.

Das Betreuungsgeld wird den Staat mit mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr belasten. Können wir uns das angesichts von Milliardenschulden leisten?
Das Betreuungsgeld steht im Koalitionsvertrag, und wir sind vertragstreu – auch wenn es nicht unser Wunsch war. Allerdings machen wir nur mit, was wir 2009 vereinbart haben: So etwas wie eine steuerfinanzierte Zuschussrente für Geringverdiener haben wir nicht vereinbart.

Vereinbart ist allerdings die Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe. Wird das Ehegattensplitting jetzt auch für Homo-Ehen gelten?
Die FDP ist dafür. Gleiche Pflichten sollten auch zu gleichen Rechten führen. Der Koalitionsvertrag bekennt sich dazu, die rechtliche Situation von eingetragenen Lebenspartnerschaften weiter zu verbessern. Das ist für uns Liberale eine Gerechtigkeitsfrage, von der wir nicht lassen werden.

Umweltminister Peter Altmaier erwartet für diesen Herbst steigende Energiepreise. Müssen die Verbraucher sich damit abfinden?
Die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben. Das muss jedem klar sein. Gleichzeitig muss die Energiewende aber auch konsequent umgesetzt werden. Es geht nicht, dass die Verbraucher unsinnige Subventionen für Erneuerbare Energien bezahlen, während die Energieerzeuger mit Einspeisevorrang und festen Vergütungssätzen quasi vom Marktgeschehen abgekoppelt sind. Ich bin dafür, dieses Subventionsgesetz so rasch wie möglich durch ein marktwirtschaftliches Quotenmodell zu ersetzen. Dann würden nur noch die effizientesten Erneuerbaren Energien gefördert.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov.

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