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Brüssel: EU-Kommission kritisiert London

Die EU-Kommission hat Großbritannien aufgefordert, seinen gesetzlichen Daten- und Persönlichkeitsschutz zu verbessern und damit die Debatte über den britischen "Großen Bruder Staat" neu angefacht.

EU-Telekommunikationskommissarin Viviane Reding sieht „Strukturprobleme“ in der Art und Weise, wie Großbritannien die „Vertraulichkeit von Kommunikation“ sichere. Unter anderem fordert sie eine schärfere Formulierung der Gesetze und mehr Kompetenzen für den britischen Datenschutzbeauftragten.

Mit ihrer Kritik stößt Reding in ein Wespennest. Immer mehr Briten glauben, dass die Regierung den Persönlichkeitsschutz nicht ernst genug nimmt. Auch Großbritanniens Datenschutzbeauftragter Richard Thomas fordert seit längerem weitergehende Befugnisse. Er hat kein Recht, Datenschutzverstöße privater Firmen zu untersuchen oder die Einhaltung bestehender Gesetze zu erzwingen.

Anlass der EU-Beschwerde, die zu einem Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof führen könnte, ist der Einsatz der auch von Google verwendeten „Phorm“-Technologie durch den Internetanbieter BT. Er verstieß gegen EU-Gesetze, weil die Internetaktivitäten von 30 000 Breitbandkunden ohne Wissen und Zustimmung der Betroffenen überwacht wurden. Anders als in anderen Ländern gebe es in Großbritannien bei solchen Verstößen keine Strafen, sagte ein Kommissionssprecher. Nachlässigkeit im Datenschutz habe in der Regel „keine ernsthaften Konsequenzen“.

Die Briten werden intensiver erfasst und überwacht als irgendein Volk der Welt. Großbritannien hat mehr Überwachungskameras als der ganze Rest Europas zusammen und unterhält die umfassendste DNA-Datenbank der Welt. Ein 2000 verabschiedetes „Gesetz zur Regelung von Überwachungsrechten“ gibt über 800 Behörden ein Recht, ohne Wissen der Betroffenen Personendaten zu sammeln.

Mehrfach warnten Parlamentsausschüsse vor einem Schlittern in den Überwachungsstaat. „Wir haben gesehen, wie viel schiefgehen kann,“ warnte ein Ausschussvorsitzender, nachdem 2007 durch Schlamperei 25 Millionen Personendaten im Finanzamt verloren gingen. Trotzdem plant das Innenministerium unter Verweis auf die Terrorismusbekämpfung eine „Superdatenbank“, in der alle Internetbesuche, E-Mail-Kommunikationen und Telefongespräche registriert werden sollen.

Großbritannien wurde bereits vom Europäischen Gerichtshof aufgefordert, die DNA-Daten unschuldiger Personen zu löschen. Halbherzig ordnete Innenministerin Jacqui Smith daraufhin die Löschung der Daten aller noch nicht 10-Jährigen an. Matthias Thibaut

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