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Die Staats- und Regierungschef in Brüssel.

© AFP

Brüssel: EU-Sondergipfel zum Haushalt gescheitert

Der Sondergipfel zum EU-Haushalt für die Jahre 2014 bis 2020 ist gescheitert. Insbesondere Großbritannien hatte die Bemühungen um eine Einigung erschwert. Überraschenderweise stellte sich die Kanzlerin aber auf die Seite der Briten.

Um zwölf Uhr mittags sind die Staats- und Regierungschefs am Freitag nach frustrierenden Gesprächen am Vorabend zur zweiten Arbeitssitzung zusammengekommen. Dort sollte sich entscheiden, ob – wie Kanzlerin Angela Merkel das ausdrückte – „eine zweite Etappe“ nötig ist, um einen Budgetrahmen für 2014 bis 2020 zu beschließen. Anders als ihr Umfeld, das schon im Vorfeld „zeitlichen Spielraum“ ausgemacht hatte, suchte Ratschef Herman Van Rompuy eine Einigung. „Die Kluft“, so einer aus seinem Kabinett, „ist im Frühjahr nicht kleiner.“ Tatsächlich scheiterte der Gipfel.
Van Rompuys neuer Verhandlungstext, der in der Nacht auf den Tisch gekommen war, setzte die Obergrenze weiterhin bei 1011 Milliarden Euro und verschob nur die Prioritäten zwischen den verschiedenen Haushaltsposten. Das freute zwar die Franzosen, weil der Belgier gegenüber seinem ersten Plan Kürzungen beim Agrarhaushalt zurücknahm. Eine Gruppe von Nettozahlern – Deutschland, Großbritannien, Schweden und die Niederlande – beharrte auf deutlich stärkeren Kürzungen gegenüber dem Vorschlag der Brüsseler Kommission, der 1091 Milliarden Euro für sieben Jahre vorgesehen hatte.
Vor allem die inhaltliche Übereinstimmung zwischen dem britischen Premier und der Kanzlerin überraschte viele Teilnehmer. „Merkel ist Cameron in allen Punkten zur Seite gesprungen“, sagte ein EU-Diplomat nach der ersten Verhandlungsrunde. Das galt Beobachtern zufolge sowohl für die Höhe – die Bundesregierung soll ihre Forderung von 960 Milliarden Euro möglicherweise noch verschärft und sich damit auf die Briten zubewegt haben, die Europa angeblich nur 886 Milliarden Euro bewilligen wollen. Und das galt bei einem Thema, das schon immer ein Aufreger gewesen ist: die Brüsseler Bürokratie. Dieses Verständnis für die radikale britische Position lief der Taktik vieler anderer Teilnehmer zuwider. Der französische Staatschef Francois Hollande etwa arbeitete Angaben aus seiner Delegation zufolge daran, „Cameron zu isolieren“ und ihn erst auf einer „späteren Etappe“ einzubinden. Darauf, dass ein Veto dem Londoner Premier zuhause nicht nur Glückwünsche bringen würde, spekulierten sie in Van Rompuys Mannschaft. Doch die Rechnung ging nicht auf.

Merkels Motivlage ist eine doppelte. Einerseits verweist man in ihrem Umfeld darauf, dass der künftige EU-Haushalt die Tatsache spiegeln muss, dass 21 von 27 EU-Staaten in einem Defizitverfahren stecken. Anderseits gibt es im Kanzleramt die Sorge, Großbritannien könnte sich ohne Entgegenkommen tatsächlich aus der Gemeinschaft verabschieden – für Deutschland, das den Briten wirtschaftspolitisch traditionell näher steht als Frankreich und den Südländern der Union, ein strategischer Verlust.

Merkel hält eine Einigung über den EU-Haushaltsplan für die Jahre 2014 bis 2020 Anfang kommenden Jahres noch für möglich. Das sagte die Kanzlerin nach dem Scheitern des zweitägigen EU-Haushaltsgipfels am Freitag in Brüssel. Gipfelchef Herman Van Rompuy sei beauftragt worden, in den kommenden Wochen neue Vorschläge auszuarbeiten. „Wir haben noch Zeit“, sagte die Kanzlerin. „Es gibt keinen Grund, das jetzt übers Knie zu brechen.“ Alle 27 derzeitigen EU-Staaten sollten sich einigen - auch Großbritannien, das für besonders starke Kürzungen des mehrjährigen Finanzrahmens plädiert hatte.

Auch EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy sieht Chancen für einen Kompromiss im kommenden Frühjahr. „Wir sollten in der Lage sein, die Meinungsverschiedenheiten zu überbrücken“, sagte der Belgier nach Abschluss des gescheiterten Budget-Gipfels am Freitag in Brüssel. Einen Termin für einen Nachfolgegipfel nannte Van Rompuy nicht. Es gebe keinen Anlass, das Scheitern zu dramatisieren, sagte er. Bereits vor sieben Jahren sei ein Gipfel unter luxemburgischer EU-Ratspräsidentschaft zu den langfristigen EU-Finanzen gescheitert. Damals hatte es schließlich einen Kompromiss nach einer Wartezeit von sechs Monaten gegeben.

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