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Politik: Brüssel schreitet wegen Roma-Abschiebung ein

EU-Kommission setzt Paris Frist / Auch Italien, Dänemark und Schweden drohen Verfahren

Berlin - Die EU-Kommission will wegen der massenhaften Abschiebung von Roma gegen die französische Regierung vorgehen. Die Kommission habe beschlossen, ein Verfahren wegen Verletzung der Richtlinie zum freien Personenverkehr einzuleiten, sagte eine Sprecherin von Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch in Brüssel. Frankreich hat aber noch bis Mitte Oktober die Möglichkeit, von den Abschiebungen abzusehen und das EU-Recht ganz anzuwenden.

Nach einer Richtlinie von 2004 können sich Bürger der Europäischen Union frei in den Mitgliedstaaten bewegen und niederlassen. Eine Abschiebung ist nur dann möglich, wenn die Betroffenen kriminell werden oder nicht mehr für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Frankreich hat aber seit Anfang des Jahres mehr als 8000 Roma nach Rumänien und Bulgarien abgeschoben.

Weitere Verfahren gegen Mitgliedsstaaten, darunter Italien, Dänemark und Schweden, will die Europäische Kommission prüfen. Außerdem soll eine Roma-Arbeitsgruppe entstehen. Langfristig sollen alle Mitgliedsstaaten dafür sorgen, dass Ausgrenzung, Armut und Arbeitslosigkeit der Roma ein Ende haben.

Flüchtlingsinitiativen kritisieren die Kehrtwende Frankreichs und auch Deutschlands in der Asylpolitik. „Alle EU-Staaten sollen die Rückführung von Roma in den Kosovo stoppen“, forderte Julia Duchrow, Asylexpertin von Amnesty International, gestern in Berlin. Die Bundesregierung hatte im April ein Rückführungsabkommen mit dem seit zwei Jahren unabhängigen Staat geschlossen. Die Lage für Minderheiten sei im Kosovo prekär, sie würden diskriminiert und hätten keine Möglichkeit, sich zu integrieren, so Duchrow.

„Die Bundesregierung ist nicht bereit, die Verantwortung für Asylsuchende in Europa solidarisch aufzuteilen“, sagte der Geschäftsführer von Pro Asyl, Günter Burkhardt. Das kritisierte auch Duchrow: „Deutschland und Frankreich bremsen die Vorschläge der EU-Kommission.“ Die Kommission will beispielsweise erreichen, dass unbegleitete Minderjährige nicht mehr verhaftet werden und dass Rechtsmittel aufschiebend wirken, wenn ein Flüchtling ausgewiesen werden soll.

Die Asyl-Experten prangerten außerdem die Rückführung von Asylsuchenden nach Griechenland an. Gemäß einer Verordnung müssen Flüchtlinge den Antrag in dem Land der EU stellen, das sie zuerst erreichen. „Griechenland ist mit der Aufnahme von Flüchtlingen aber überfordert“, sagte Burkhardt. Betroffene berichteten von Verhaftungen und Misshandlungen. Auch Flüchtlingen, die in Italien landen, erginge es nicht besser. 2009 habe das Land ein Freundschaftsabkommen mit Libyen geschlossen und rund 2000 Bootsflüchtlinge zurückgewiesen, sagte Duchrow. In Libyen würden sie inhaftiert, misshandelt und abgeschoben. „Deutschland und die EU-Kommission müssen endlich massiven Druck auf Italien ausüben, um dieses Abkommen zu beenden“, forderte die Asylexpertin.

Burckhardt verwies auf Entscheidungen zur Asylpolitik, die in den kommenden Wochen anstehen: Am 28. Oktober verhandelt das Bundesverfassungsgericht den Fall eines irakischen Asylsuchenden, der nach Griechenland überstellt werden soll. Auch bei der Innenministerkonferenz im November wird es um das Thema Asyl gehen.mit epd/dpa

Sophie Crocoll

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