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Politik: Brüssel wehrt sich gegen Superkommissar

Prodi-Sprecher warnt vor Zweiklassenkabinett / Will Berlin den Deutschen Günter Verheugen durchsetzen?

Von Hans Monath

DER DREIER-GIPFEL IN BERLIN

Berlin. Der Vorschlag der Bundesregierung, die EU-Kommission grundlegend umzubauen, hat in Brüssel deutlichen Widerspruch hervorgerufen. Ein Sprecher sagte, die Kommission könne nicht isoliert reformiert werden. Dies habe auch Konsequenzen für den Rat und das Europäische Parlament. Er warnte außerdem davor, „zwei Klassen von Kommissaren“ zu schaffen. „Damit schadet man dem Wohlergehen der Gemeinschaft“, sagte er. Zum Vorschlag von Deutschland, Frankreich und Großbritannien, einen Vizepräsidenten der Kommission mit einem starken Mandat für die Industriepolitik einzusetzen, sagte er, die EU-Kommission habe einen starken Kommissar für Wirtschaftsfragen, nämlich Währungskommissar Pedro Solbes. Zunächst warte die Kommission, ob das Treffen der Regierungschefs von Deutschland, Frankreich und Großbritannien am heutigen Mittwoch zu konkreten Ergebnissen führe.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass der britische Premier Tony Blair und der französische Präsident Jacques Chirac in Berlin gemeinsam mit Kanzler Schröder für die Neuordnung plädieren werden. Alle Vorgespräche ließen das erwarten, hieß es in Berliner Regierungskreisen. Zwar wurde auch hier betont, man wünsche „keine Kommissare erster oder zweiter Klasse“. Alle Kommissare bräuchten vollwertige Ressorts. Dennoch sei eine gestärkte Kooperation zwischen den Kommissaren gerade in der Wirtschaftspolitik nötig. Berliner Spitzenbeamte gebrauchten Begriffe wie „Bündelung“ und „Umstrukturierung“. Denn bislang litten Vorlagen aus Brüssel zu oft an „mangelnder Kohärenz“. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte zuvor berichtet, Schröder wolle einen mächtigen Industrie-Kommissar und diesen Posten mit einem Deutschen besetzen. Genannt wurde der deutsche EU-Kommissar Günter Verheugen, der bislang für die EU-Erweiterung zuständig ist.

Die künftige Kommission soll am Mittwochabend von den drei Regierungschefs beim Abendessen mit den Außenministern diskutiert werden. In einem Brief an den irischen Ratspräsidenten Bertie Ahern haben Italien, Spanien, Polen, die Niederlande, Portugal und Estland sich bereits dagegen gewehrt, dass die „großen drei“ die Reform der EU für sich monopolisierten. Nach geltendem Recht der EU ist die Verteilung der Aufgaben in der Kommission Sache des künftigen Kommissionspräsidenten.

Die polnische Europaministerin, Danuta Hübner, kritisierte am Dienstag in Berlin den Vorschlag. „Man sollte nicht mehrere Portfolios bei einer Person konzentrieren“, sagte sie. „Was würden denn dann die anderen Kommissare machen?“ Sie sprach sich für einen Vorschlag von Kommissionspräsident Romano Prodi aus, die Kommission in Teams von fünf bis sieben Kommissaren um einen Themenbereich herum zu organisieren. Zudem betonte Hübner, dass eine Neuorganisation der Kommission Sache des neuen Kommissionspräsidenten und „nicht der Mitgliedstaaten“ sei.

Nachdem Prodi seine Rückkehr in die italienische Innenpolitik für den Herbst angekündigt hat, beginnt nun das Ringen um seine Nachfolge. Der frühere finnische Regierungschef Paavo Lipponen hat seinen Hut am Wochenende in den Ring geworfen. Es ist die Aufgabe Aherns, einen konsensfähigen Kandidaten für das Amt des Kommissionschefs zu suchen. Er nannte kürzlich als weiteren Interessenten den portugiesischen EU-Kommissar für Inneres und Justiz, Antonio Vitorino. Vitorino sei zwar hoch qualifiziert. Doch da er der Linken angehöre, habe er kaum Chancen, die Zustimmung der Mitgliedstaaten zu finden, urteilte Ahern. Das gilt auch für den griechischen Sozialisten Kostas Simitis.

Entscheidend für die Wahl des nächsten Kommissionspräsidenten ist der Ausgang der Europawahl im Juni. Konservative und Christdemokraten wollen den Führungsposten besetzen, wenn sie stärkste Kraft werden. Zu den möglichen Kandidaten gehört Belgiens Regierungschef Guy Verhofstadt, ein Liberaler. Der belgische Konservative Jean-Luc Dehaene gilt als qualifiziert. Luxemburgs Ministerpräsident Jean- Claude Juncker ist Lieblingskandidat etlicher EU-Staaten, hat aber offiziell seine Bereitschaft noch nicht erklärt. Schließlich ist auch Österreichs Kanzler Wolfgang Schüssel im Gespräch. Gegen ihn spricht – wie gegen den Spanier Jose Aznar –, dass er in den vergangenen Jahren polarisierte. H. Monath, R. v. Rimscha,

M. Schulze Berndt und F.Wisdorff

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