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Politik ist eben doch mehr als Blabla von Bären unterschiedlicher Couleur.

© dpa

Wahlkampfbeobachter (24): Die Mär von Blabla dem Bär

Politikerbashing ist ein beliebter Sport, derzeit sogar in der Fernsehwerbung. Doch die Nörgelei an Politikern und Wahlkampf nervt nicht nur, sie schadet auch

Die Firma Haribo hat extra zur Bundestagswahl einen Fernsehspot produziert. Darin schiebt Thomas Gottschalk ein rotes Gummibärchen über den Tisch. „Und nun die Roten zur Wahl: Blablabla.“ Er stellt ein grünes Bärchen dazu. „Und jetzt die Grünen: Blablabla“. Er platziert ein weißes Bärchen auf dem Tisch. „Und die Schwarzen: die werden auch immer blasser.“ Gottschalks Resümee: „Die Politiker: Blabla, dabei ist das mein Job“.

Der Auftritt enthält gleich drei Botschaften, die zu denken geben. 

Erstens sagt der Spot, dass in der Politik zwar die Farben variieren, dass sich aber im Prinzip trotzdem alle Figuren nicht wesentlich unterscheiden. Kurz: Die Politiker sind alle gleich.

Politiker tun nichts und schwatzen nur - eine weit verbreitete Meinung

Zweitens: Die Politiker tun nichts, sondern schwatzen nur. Das ist unter der Prämisse ein Defizit, dass ein starker Politiker handelt, während ein schwacher nur debattiert. Das Miteinanderreden als demokratisches Prinzip seit dem alten Athen? Blablabla.

Am Beispiel der Union zeigt der Film drittens, dass die Politik blass wird. Oder vielmehr: „immer blasser“. Denn es geht abwärts. Immer schlimmer. Politik – hör mir damit auf. 

Die drei Thesen sind nicht neu. Das Bild vom Parlament als „Schwatzbude“, das nichts entscheiden kann, hat Kaiser Wilhelm II. etabliert. Bis heute reden eine Menge Leute so. Ziemlich häufig gilt die Formel, dass diese Leute umso lieber auf die Politik schimpfen, je stärker bei ihnen die Eigenschaften Feigheit, Trägheit und Teigigkeit ausgeprägt sind. Sie futtern Goldbären, furzen ins Sofa und machen Blabla des Inhalts, dass die da oben – die alle gleich sind – eh nur Blabla machen.

Nicht alle Vorurteile über Politiker will Haribo bedienen

Das ist aber vielleicht genau das Publikum, das Haribo mit Gottschalk ansprechen möchte, wobei die Texter des Unternehmens vergessen haben, Gottschalk noch zwei weitere Standardbotschaften aufzuschreiben, die in diesem Vorurteilsschublädchen ebenfalls drinstecken: Politiker sind faul. Politiker wollen nur abkassieren.

Oder haben wir da was falsch verstanden? Mail an Marco Alfter, Leiter Unternehmenskommunikation der Haribo GmbH & Co. KG. Was will der Film über Politik aussagen?

„Die Botschaft von sämtlichen Haribo-Spot´s ist Spaß, Freude und Humor. Auch bei unserem aktuellen 'Wahlspot' geht es nicht darum bestimmte politische Richtungen einzuschlagen, sondern wie bei allen anderen soll auch dieser Spot einfach nur mit einem 'Augenzwinkern' und typisch für die Marke Haribo als 'Lustig' verstanden werden. Ferner würden wir uns selbstverständlich freuen, wenn unsere aktuelle TV-Werbung den positiven Nebeneffekt hätte, die Wahlbeteiligung für die Bundestagswahl im September zu erhöhen.“

Nach dieser Logik würde es die Wahlbeteiligung erhöhen, wenn die Menschen die Politik für möglichst blass und blabla halten. 

Die "Toten Hosen" wehren sich gegen die Nutzung ihrer Lieder im Wahlkampf

Haribo schätzt das Ansehen der Politik immerhin noch als so hoch ein, dass die Firma sich überhaupt mit ihr abgibt. Dagegen haben die „Toten Hosen“ kürzlich eine wütende Pressemitteilung herausgegeben. Sie richtete sich dagegen, dass ihr Schlager „Tage wie diese“ auf Wahlkampfveranstaltungen gespielt wird. „Wir empfinden es aber als unanständig und unkorrekt, dass unsere Musik auf politischen Wahlkampfveranstaltungen läuft.“

Igitt, Politik.

Die Demokratie leidet unter der kategorischen Distanzierung. Sie leidet unter dem Genörgel. Ihr schadet auch die Botschaft, dass es bei Wahlen um nichts geht.

Ja ist es denn so schwer? Mindestlohn oder nicht. Bürgerversicherung oder nicht. Betreuungsgeld oder nicht. Mehr Staat oder mehr Privat. Mehr Umweltschutz oder weniger. Versuchen wir, uns gegen Schnüffelei zu schützen oder vertrauen wir unseren Freunden in Washington. 

Thomas Gottschalk kassiert auch noch Geld fürs Politikerbashing

Aber erzählt wird die Mär von Blabla, dem schlappen Bären. An ihr stricken auch die auch politische Korrespondenten gern mit. Sogar das Fernsehduell wurde erst als Laberrunde vorbemäkelt und dann als inhaltsarmes 0:0 nachbemäkelt. Dabei schauten es über 17 Millionen Menschen. 2009 waren es nur 14 Millionen.

Aber Moment: 2005 waren es schon Mal über 20 Millionen. Maue Quoten bei Merkel gegen Steinbrück! Alles wird immer schlimmer, schlimmer geht’s nimmer, erst nächstes Mal.  

Paradox: Die Medien schreiben sich das eigene Geschäft kaputt. Denn langweiliger Wahlkampf heißt: Den politischen Journalismus kann ich mir auch sparen. Das ist sehr selbstlos. Oder sehr dumm. 

Dagegen ist Gottschalk klug. Er bekommt Spaß und Freude beim Politikerbashing und dafür Geld von Haribo. Blabla. Abkassiert.

Georg Löwisch

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