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Chefin, Vize: Merkel und Rösler.

© dpa

Buch über Vizekanzler: Merkel lobt Rösler auf Buchvorstellung

Bei der Vorstellung einer Biografie über Philipp Rösler hat Bundeskanzlerin Merkel ihre Sympathie für den Vizekanzler betont. Daran änderten auch dessen Aussagen über eine "geordnete Insolvenz" Griechenlands nichts.

Von Robert Birnbaum

Die Frage musste ja kommen. Wann sonst hat man mal die Frau Bundeskanzlerin im Sessel vor sich sitzen und einen Sessel weiter den Herrn Vizekanzler? Angela Merkel hat vor Wochen zugesagt, ein Porträtbuch über Philipp Rösler vorzustellen. Damals war die schwarz-gelbe Welt zwar auch nicht richtig in Ordnung, aber es ahnte auch noch niemand, dass Rösler mit einer unüberlegten Bemerkung über eine „geordnete Insolvenz“ Griechenlands die Finanzmärkte auf Talfahrt schicken und das Koalitionsklima an den Gefrierpunkt führen würde. Ob sie nicht daran gedacht habe, den Termin abzusagen, wird jemand Merkel später fragen. Die Kanzlerin tut so, als verstehe sie nicht: „Nö, warum?“

Also sitzen die beiden nun in der Katholischen Akademie – das Buch von Michael Bröcker, Büroleiter der „Rheinischen Post“ in Berlin, heißt nämlich im Untertitel „Glaube. Heimat. FDP“ und handelt auch vom Katholiken Rösler. Merkel hat nette Worte gesagt, Rösler hat mal überrascht, mal geschmeichelt geschaut, aber jedenfalls überwiegend gelächelt – und jetzt stellt der Moderator der Kanzlerin die Frage, die kommen musste: Ob ihr Vizekanzler mal eben so über die Insolvenz Griechenlands reden dürfe?

Das, sagt Merkel, sei nicht das Problem. Geärgert hat sie etwas anderes viel mehr. Nämlich, dass Rösler so getan hat, als habe es in der Regierung ein Denkverbot gegeben, das er heldenhaft durchbrochen habe. „Verbieten von Denken“, grummelt Merkel – das sei ja nicht mal in der DDR möglich gewesen.

Das war’s dann aber auch mit Rüffeln. Merkel hat schließlich erkannt, dass ihr diese Buchvorstellung zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung über den Euro-Rettungsfonds ausgesprochen nützlich sein kann. Der halbpolitische Termin in gelockerter Talkshow-Atmosphäre bietet eine ideale Gelegenheit, koalitionäre Freundlichkeiten loszuwerden, ohne in den Verdacht zu geraten, die CDU-Chefin behandle den kleinen Partner nur um seiner Stimmen willen ausnahmsweise einmal nett.

Merkel muss sich dafür nicht groß verbiegen. Dass sie Rösler mag, hat man von Leuten, die es wissen sollten, öfter gehört. Dazu mögen gewisse Ähnlichkeiten in der Biografie beitragen – zwei Naturwissenschaftler mit Exotenstatus als Ostdeutsche respektive vietnamesisches Kriegswaisenkind, beide eher zufällig in die Politik geraten, beide sehr schnell nach oben gekommen. Aber auch in der Art sind sie sich nicht unähnlich. Was die CDU-Chefin über ihren ersten Eindruck am Rande der Koalitionsverhandlungen vor zwei Jahren von dem Niedersachsen berichtet – fix, von „extrem schneller Auffassungsgabe“, einer, der ohne Girlanden sein Wort macht – könnte eine Selbstbeschreibung der Jungpolitikerin Merkel sein.

An dieser Grundsympathie, versichert sie, habe sich nichts geändert: Rösler und sie hätten Vertrauen zueinander gefunden. Rösler widerspricht nicht. Aber er widerspricht auch nicht der Feststellung seines Biografen Bröcker, dass er in den zwei Jahren in Berlin misstrauischer geworden sei und realistischer. Was bleibt ihm auch übrig: Morgens, sagt Rösler, wünsche er sich gelegentlich, dass die Realität der 1,8-Prozent-FDP nur ein schlechter Traum gewesen sei.

Merkel tröstet muttilich. „Ich bin ja jetzt doch schon recht alt“, gibt die Kanzlerin zu Protokoll, und habe schon einiges erlebt. Also, junger Mann: „Optimistisch in die Zukunft blicken, nicht verrückt machen lassen, den eigenen Weg gehen.“ Zu dem Schluss ist Rösler schon selbst gekommen. „Fortschrittsoptimismus statt Risikofurcht“ empfiehlt er in einem Brief an die verbliebenen FDP-Mitglieder; in der zweiten Halbzeit der Koalition sei „Zeit genug, das Spiel zu drehen“.

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