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Politik: Buch zur Stasi-Westarbeit: Noch nicht gedruckt und schon umstritten

Marianne Birthler kommt nicht aus den Schlagzeilen. Noch immer tobt der Streit der Akten-Hüterin mit Innenminister Otto Schily (SPD) und Alt-Kanzler Helmut Kohl um die Veröffentlichung von Stasi-Abhörprotokollen, da brechen neue Konflikte auf.

Marianne Birthler kommt nicht aus den Schlagzeilen. Noch immer tobt der Streit der Akten-Hüterin mit Innenminister Otto Schily (SPD) und Alt-Kanzler Helmut Kohl um die Veröffentlichung von Stasi-Abhörprotokollen, da brechen neue Konflikte auf. Böse Worte fallen, Presseerklärungen stapeln sich, Gerichtstermine werden anberaumt. Streitpunkt ist wieder die West-Arbeit des DDR-Geheimdienstes.

Worum geht es? Der Historiker Hubertus Knabe will am Donnerstag auf der Leipziger Buchmesse ein Buch vorstellen, in dem der Stasi-Einfluss auf die Westmedien dargestellt wird. Titel: "Der diskrete Charme der DDR". Knabe wird nach Leipzig reisen und für den "Propyläen Verlag" über das Werk sprechen. Problem: Das Buch gibt es nicht. Denn am gleichen Tag behandelt das Berliner Arbeitsgericht einen Antrag der Akten-Behörde, die Veröffentlichung zu verhindern. "Wenn Mitarbeiter extern publizieren, müssen sie Inhalte vorlegen und sich genehmigen lassen", beharrt Behördensprecher Christian Booß. Knabe, der das Haus in Richtung Gedenkstätte Hohenschönhausen verlassen hat, ist noch bis zum 1. April angestellt. Er hatte wegen Meinungsverschiedenheiten mit der Behördenleitung über die freie Forschung das Handtuch geworfen.

Konkret wirft die Behörde Knabe vor, Persönlichkeitsrechte von im Buch genannten Journalisten zu tangieren. Deren Angaben dürften nicht ohne Einwilligung aus den Akten publiziert werden, argumentiert Booß. Knabe sieht dagegen eine Tendenz, die Forschung einzuschränken. "Die Behörde beansprucht ein Monopol, darüber zu entscheiden, was veröffentlicht wird und was nicht", sagte er dem Tagesspiegel. Das sei nicht im Sinne des Stasi-Unterlagen-Gesetzes.

Wie bei jedem Konflikt gibt es Nebenkriegsschauplätze. So klagt die Behörde, sie habe vom geplanten Buch nur aus dem Internet erfahren. "Das ist eine bewusste Lüge", widerspricht Christian Seeger, Programmleiter des "Propyläen Verlages". Er habe das Haus im November 1999 über das Projekt informiert und eine Kooperation angeboten: "Jetzt werden in letzter Minute Gerichte bemüht, um das Erscheinen zu verzögern oder gar zu verhindern." Seeger hatte vor zwei Jahren Knabes umstrittenes Buch "Die unterwanderte Republik" über Stasi-Westarbeit betreut. Damals wurde Knabe als Sachgebietsleiter abgesetzt, weil bereits eine Veröffentlichung von ihm im "Christoph Links Verlag" geplant war. Nach heftigem Streit und inhaltlichen Änderungen erschienen schließlich beide Werke.

Auch diesmal scheint ein Vergleich möglich. Allerdings dürften dann die Beteiligten wochenlang um Textpassagen streiten. Für den Verlag wäre das teuer, für Knabes wissenschaftlichen Ruf nicht förderlich. Und Marianne Birthler? Sie müsste an zwei Fronten kämpfen, um die Debatte über die Zukunft ihrer Behörde zu beenden.

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