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Politik: Budgets für Arzneien: Das Ende der Kollektivhaftung

Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben in diesen Tagen dicke Post aus dem Gesundheitsministerium in ihren Briefkästen. Unter dem sperrigen Titel "Neues Instrumentarium zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln" sendet ihnen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Referentenentwurf für ein Gesetz, mit dem sie den umstrittenen Kollektivregress der Ärzte abschaffen will.

Die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) haben in diesen Tagen dicke Post aus dem Gesundheitsministerium in ihren Briefkästen. Unter dem sperrigen Titel "Neues Instrumentarium zur Sicherung von Qualität und Wirtschaftlichkeit bei der Verordnung von Arznei- und Heilmitteln" sendet ihnen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) den Referentenentwurf für ein Gesetz, mit dem sie den umstrittenen Kollektivregress der Ärzte abschaffen will. Bislang ist es so, dass die Ärzte kollektiv haften sollen, wenn sie in ihrem KV-Bezirk die Budgets für Arznei- und Heilmittel überschreiten.

Immerhin 500 Millionen Mark müssten Mediziner allein für 1999 zurückzahlen, weil die Budgets drastisch überschritten wurden. Die Summe kommt zustande, weil bis zu fünf Prozent der Budgets zu Lasten der ärztlichen Honorarsumme als Strafe anfallen können. Doch: "Dieser so genannte Kollektivregress konnte bisher nie durchgesetzt werden", erklärt Schmidt. Deswegen hat die Ministerin den Ärzten unmittelbar nach ihrem Amtsantritt ein Versöhnungssignal gegeben und angeboten, dieses Druckmittel zu streichen. Hunderte Millionen Mark werden den Ärzten also erlassen. "Es ist richtig, sich von dieser Regelung zu verabschieden, die psychologisch das Klima vergiftet und die Patientinnen und Patienten verunsichert hat", sagt Schmidt.

Was passiert stattdessen, damit die Ausgaben für Arznei- und für Hilfsmittel nicht ins Uferlose steigen? Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigungen und die Vertragsärzte sollen das nun selbst sicherstellen. Schmidts Gesetzentwurf geht davon aus, dass sie "zur konstruktiven Mitwirkung bereit sind". Schließlich haben die Verbände ihre Bereitschaft dazu in der Vergangenheit selbst immer wieder beteuert. Jetzt müssen sie zeigen, ob sie dazu in der Lage sind.

Einfach wird das nicht, wie die jüngsten Zahlen über Verschreibungen zeigen. Im ersten Quartal 2001 stiegen die Ausgaben für Arznei- und Heilmittel im Vergleich zum Vorjahr um 7,8 Prozent. Im März 2001 waren es 9,5 Prozent. Ein starres Budget, wie es Schmidts Vorgängerin Andrea Fischer (Grüne) durchsetzen wollte, gibt es künftig nicht mehr. Allerdings sollen die Kassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen bei ihren Vereinbarungen über Arzneimittelausgaben die für 2001 geltenden Budgets zu Grunde legen. Bundesweit sind das für Arznei- und Heilmittel um die 37 Milliarden Mark.

"Die Selbstverwaltung hat die Aufgabe festzulegen, wie einer Überschreitung des vereinbarten Ausgabenvolumens begegnet wird", erklärt Schmidt. Wenn Kassen und Ärzte die Ausgabenhöhe festlegen, sollen sie künftig auch Besonderheiten in bestimmten Regionen stärker berücksichtigen. In Berlin, wo es zum Beispiel viele Aids-Patienten gibt, sind deswegen mehr Arzneimittel notwendig als im benachbarten Brandenburg. Wenn die geplanten Ausgaben überschritten werden, müssen Kassen und Ärzte sehen, wie sie das ausgleichen. Aber: "Eine Kürzung von Vergütungen wird den Vertragsparteien nicht gesetzlich vorgegeben", sagt Schmidt. Über mögliche Regressforderungen bei einem unwirtschaftlich verordnenden Arzt müssen die Organe der Selbstverwaltung vor Ort entscheiden.

Schmidt möchte, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause erstmals im Bundestag beraten wird und Ende des Jahres in Kraft tritt. Bereits am 30. Mai soll der Entwurf im Kabinett beschlossen werden. Kassen und Kassenärztliche Vereinigungen dürften mit den Plänen der Ministerin zufrieden sein. Schmidt hat in ihrem Gesetzentwurf im Wesentlichen das festgeschrieben, worauf sich Ärzte und Kassen schon einmal im November vergangenen Jahres geeinigt hatten. Damals hatte Andrea Fischer nach Alternativen zum Kollektivregress gesucht und beide Seiten zu Gesprächen zusammengeholt.

Carsten Germis

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