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Politik: Bücher über Preußen: Märkische Taten und Untaten

Jubiläen haben es in sich. Zwanzig Jahre nach dem letzten Preußenjahr befinden wir uns wieder mitten in einem neuen.

Jubiläen haben es in sich. Zwanzig Jahre nach dem letzten Preußenjahr befinden wir uns wieder mitten in einem neuen. Wieder regnet es Publikationen jeder Art; die Preußen-Tische in den Buchhandlungen werden immer länger. Doch wer spricht noch von den Publikationen des Jahres 1981? Viel bewundert war immerhin das vorzügliche und hoch wissenschaftliche dreibändige Werk, das die damals noch aktive und verdienstvolle "Historische Kommission" als "Moderne Preußische Geschichte" herausgab.

Aber anscheinend sind es nicht jene so lange von Gelehrten und Verlegern vorbereiteten Jubiläumserzeugnisse, die aus den geplanten Bücherbergen herausragen. Das Preußen-Buch, das damals alle anderen übertraf, war schon zwei Jahre auf dem Markt - Haffners "Preußen ohne Legende". Mit ihm konnte sich kein anderes messen.

Überraschenderweise gibt es im aktuellen Preußenjahr ein ähnliches Phänomen: "Das Ende Preußens" von Gordon A. Craig ist in englischer Sprache schon 1984 in den USA und in Deutsch im folgenden Jahr herausgekommen. Eine bearbeitete und um ein Nachwort erweiterte Neuausgabe ragt jedenfalls in ihrer schöpferischen Qualität weit aus dem diesjährigen Jubiläums-Bücherberg heraus.

Der amerikanische Historiker und Deutschlandkenner erweist sich wieder als überragender Schriftsteller. Es gelingt ihm, in "Acht Porträts" geläufiger Preußen vor allem das Ende dieses Staates meisterhaft zu umreißen. Eigentlich handelt es sich um vier Doppelporträts, denn es werden jeweils zwei historische Persönlichkeiten gegenübergestellt. Bei aller historischer Korrektheit liest es sich wie ein Stück dichterischer Prosa. Nicht hoch genug zu loben ist dabei der Anteil des Übersetzers Karl Heinz Siber.

Craig konfrontiert etwa Fontane mit Wilhelm II. - ein Essay als Kunstwerk! Weitere Partner respektive Antipoden sind Stein und Marwitz, Bettina von Arnim und Bismarck sowie gewagtermaßen, aber ebenfalls gelungen, Otto Braun und Adenauer. In seinem Nachwort wendet Craig sich übrigens scharf gegen eine "Wiedergeburt Preußens" und bestätigt der Bundesrepublik, dass sie seit der Wiedervereinigung der Lösung fast aller dadurch entstandenen Probleme "merklich näher gekommen" sei. Preußen habe es ohnehin schon längst nicht mehr gegeben, als die Alliierten es 1947 auflösten.

Zu einem ähnlichen Schluss kommt Eberhard Straub in seiner "Kleinen Geschichte Preußens" im letzten Kapitel mit dem viel sagenden Titel "Die allmähliche Eroberung Preußens durch Deutschland". Der bei Friedrich I. beginnende Streifzug endet beim "Preußenschlag" Juli 1932, als der Staat unter die Kontrolle des Reiches gestellt wurde. Straub erzählt anders als Craig in gemäßigter Prosa. Er blickt zurückhaltend auf die Menschen und achtet mehr auf deren Taten, die er scharf, aber gerecht kommentiert.

In "Preußens Herrscher", ein Gemeinschaftswerk von 14 Autoren, ist das Gleiche Johannes Kunsich auf zweitbeste Weise durch heimliche Verdoppelung ebenfalls gelungen, nämlich indem er Pro und Contra zu Wort kommen lässt. Herausgeber FrankLothar Kroll hat es verstanden, dem Buch einen gemeinsamen Stil zu geben, der aber individuelle Vorlieben der Autoren zulässt. Ein bisschen trocken nach der Art der Widmungsbücher zu professoralen Jubiläen bleibt das Ganze schon. Wer Vorträge gerne hört, dem kann man diese Zusammenstellung ganz besonders empfehlen.

Eher für Wissensdurstige dürfte "Preußen - Chronik eines deutschen Staates" bestimmt sein. Der Band, entstanden aus einer ARD-Fernsehserie, enthält eine lange Reihe bekannter, aber auch weniger bekannter Bilder: ein Bilderbuch, das zu durchblättern allen Interessierten einige Freude bereiten kann. Es wäre sogar besser gewesen, das Visuelle noch stärker in den Vordergrund zu rücken, denn leider sind eine Menge Bilder viel zu klein geraten.

Der von den Herausgebern Wolfgang Ribbe und Hansjürgen Rosenbauer verantwortete Text dürfte aus vielen Federn stammen. Er ist keineswegs schlecht, wenn auch allzu lang und - wie es scheint - lustlos zitiert: eine genaue Aufzählung von Fakten, Zitaten und Entwicklungen. Preußens wechselndes Schicksal wird jedenfalls akkurat verfolgt, und man schreckte auch nicht vor dem bitteren Ende zurück, jener Zeit, in der Gordon Craig einen Staat Preußen schon für nicht mehr vorhanden hält. Es gab ja immerhin noch die Nachfahren und diejenigen, die den Untergang mitgemacht und mit erlitten hatten. Wen die menschlichen Umstände der Zeit nicht weniger interessieren als die politischen, kommt hier auf seine Kosten.

Es sind nicht immer die neuen Bücher, die bei Jubiläen die größte Überraschung erregen. Ulrich van der Heydens Buch "Rote Adler an Afrikas Küste" ist früher schon einmal in der DDR erschienen und verblüffte durch die Kapitelüberschrift: "Der Große Kurfürst als Sklavenhändler." Ich hatte zwar schon in der Schule vom einzigen preußischen Kolonialversuch in Afrika ("Großfriedrichsburg" im heutigen Ghana) gehört. Aber dass Kurfürst Friedrich Wilhelm I. selbst am Sklavenhandel der anderen europäischen Völker teilgenommen haben sollte, war mir neu. Eine derart brandenburg-preußische Untat hätte man dem bösen Benjamin Raule zugetraut, der ja die preußische Flotte kommandierte und der später wegen gewagten Spekulationen in der ebenfalls von ihm kommandierten brandenburgisch-afrikanischen Handelskompagnie in Spandau auf Festungshaft gehalten wurde. Dies freilich erst nach dem Tod des Großen Kurfürsten.

"Seinen Ehrentitel", schreibt Eberhard Straub, "erwarb sich der Große Kurfürst, nachdem die Schweden ihn 1674 überfallen hatten, um Frankreich im Krieg gegen den Kaiser zu entlasten, auf dessen Seite er als Reichsfürst kämpfte. Bei Fehrbellin schlug er die Schweden vernichtend. Seine Feldzüge bis 1679 waren ein heroisches Schaustück ..."

Was den Sklavenhandel angeht, so erwähnt diesen neben Ulrich van der Heyden nur das "Preußen"-Buch zur Fernsehserie. Der erste Handel, den die Preußisch-Afrikanische Gesellschaft macht, erweist sich ihm zufolge als enttäuschend. Angeführt wird die gesamte Ladung: "Für 20 Kilo Gold 14 453 Taler. 800 Elefantenzähne - 3400 Taler. 6000 Pfund Getreide - rund 457 Taler". Kommentar der Autoren: "Das reicht nicht einmal aus, um die kalkulierten Kosten von 44 000 Talern für die nächste Expedition zu decken." Weiter: "Obgleich die Gewinne später, als die Brandenburgisch-Afrikanische Kompanie in den Sklavenhandel einsteigt, bedeutend höher sind, wird sich dieses Feld für den Kurfürsten nie rentieren." Aber erst Friedrich III., sein Nachfolger als Kurfürst und bald als Friedrich I., der erste preußische König, wird diese unpreußische "Chimäre" für bankrott erklären.

Mag sein, dass tatsächlich der auch wegen Ungehorsams bestrafte Admiral Raule oder sonst ein Mitglied des Direktoriums seine Hände im Spiel gehabt hat. An dem Vorwurf des Sklavenhandels gegen den Kurfürsten scheint jedenfalls etwas dran zu sein. Van der Heydens Empörung ist nicht unberechtigt. Allerdings könnte diese zwiespältige Erfahrung mitgeholfen haben, dass Preußen jegliche Sklaverei verbot. Als Fürst Pückler 1837 seine Machbuba auf einem afrikanischen Sklavenmarkt kaufte, war das Erste, was er tat, ihr die Freiheit zu geben.

Heinz Ohff

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