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Update

Bürgerkrieg in Libyen: "Das ist ein echtes Massaker"

Die Truppen des libyschen Staatschefs Gaddafi sollen in Sawijah zahlreiche Menschen getötet haben. Die Lage um die strategisch wichtige Hafenstadt Ras Lanuf ist unübersichtlich. Am Morgen wurde Tripolis von Gewehrfeuer erschüttert.

In Libyen haben sich Aufständische und Truppen von Machthaber Muammar el Gaddafi erneut heftige Kämpfe um die Kontrolle mehrerer Städte geliefert. In Sawijah schlugen die Rebellen offenbar eine Offensive regierungstreuer Truppen zurück, auch die durch Luftangriffe attackierte Stadt Ras Lanuf war weiter in Hand der Aufständischen, wie AFP-Reporter berichteten. Gaddafi warnte in einem Interview den Westen vor Chaos im Fall seines Sturzes. "Das ist ein echtes Massaker“, sagte ein Arzt in der etwa 60 Kilometer westlich der Hauptstadt Tripolis gelegenen Stadt Sawijah telefonisch der Nachrichtenagentur AFP. Gaddafis Truppen hätten viele Menschen getötet. Eine Journalistin des britischen Senders Sky News berichtete, eine Panzerkolonne sei in die Stadt eingerückt und habe das Feuer eröffnet. Anschließend sei es aber offenbar den Rebellen gelungen, den Angriff zurückzuschlagen. Sie habe auf dem zentralen Platz mehrere von Aufständischen eroberte Panzer gesehen, die teilweise gebrannt hätten. Zur Lage in der strategisch wichtigen Hafenstadt Ras Lanuf gab es widersprüchliche Angaben: Während die Aufständischen die Einnahme der Stadt meldeten, erklärte der Gaddafi-treue Fernsehsender Al Libya, Ras Lanuf sowie die Städte Misrata im Westen und Tobruk im Osten seien weiter unter Kontrolle der Regierung. Demnach rückten ihre Truppen nun auf Bengasi vor. Nach Beobachtungen von Reportern der Nachrichtenagentur AFP in Ras Lanuf war die Stadt aber weiter in Hand der Aufständischen. Auch mehrere Rebellenvertreter in Ras Lanuf und Tobruk bestritten, dass Gaddafis Truppen die Städte zurückerobert hätten. Am Sonntagmorgen flog die libysche Luftwaffe mehrere Angriffe auf Ras Lanuf. Nach Angaben der Aufständischen gab es keine Verletzte. Aufständische rückten derweil weiter westwärts in Richtung von Gaddafis Heimatstadt Sirte bis zu dem kleinen Ort Bin Dschawad vor, wie ein AFP-Reporter berichtete. Der oppositionelle Nationalrat unter dem Vorsitz von Ex-Justizminister Mustafa Abdel Dschalil erklärte sich am Samstag auf seiner ersten Sitzung in Bengasi zum „einzigen Repräsentanten Libyens“. Zum Außenbeauftragten wurde der Ex-Außenminister Ali Abdelasis el Issawi erklärt. Er solle sich im Ausland um die internationale Anerkennung des Nationalrates bemühen. Gaddafi warnte derweil in einem Interview mit der französischen Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ den Westen vor Chaos, sollte er gestürzt werden. Wenn seine Macht weiter geschwächt werde, drohe Europa eine Einwanderungsflut aus Libyen, Piraten würden sich an der Küste festsetzen und das Terrornetzwerk El Kaida werde sich ausbreiten. „Ihr werdet Bin Laden vor eurer Tür haben“, sagte der Revolutionsführer. Seiner Ansicht nach ist der Volksaufstand in Libyen von El Kaida gesteuert. Gaddafi forderte in dem Interview zudem eine Untersuchung der Vorfälle in Libyen durch eine Kommission der UNO oder der Afrikanischen Union (AU).

Bereits am Sonntagmorgen wurde die Hauptstadt Tripolis von heftigem Gewehrfeuer erschüttert, das nach ersten widersprüchlichen Berichten offiziell als „Freudenfeuer“ deklariert wurde. Am Sonnabend konnten die Rebellen Berichten zufolge mehrere Angriffe der Regimetruppen auf Al-Sawija konnten die Aufständischen nach diesen Berichten am Freitag und Sonnabend zurückschlagen. Ihre Lage wird jedoch schwieriger. Sie sind zahlenmäßig überlegen, allmählich geht ihnen aber die Munition aus. Nachschub aus dem von Aufständischen gehaltenen Osten dürfen sie nicht erwarten; denn dazwischen liegt das von Gaddafi-Truppen kontrollierte Gebiet.

Am Samstag zogen die USA und andere Nato-Staaten Militäreinheiten auf dem Stützpunkt Souda im Westen von Kreta zusammen. Von dort können Schiffe Libyen in neun Stunden erreichen. Kampfjets brauchen nur 20 Minuten. Militärtransportflugzeuge landeten auf dem Flughafen von Souda-Akrotiri. Die deutsche Marine begann vor der tunesischen Küste mit einem Hilfeeinsatz für Flüchtlinge. Sie nahm aus Libyen geflohene Gastarbeiter auf, die in Ägyptens Hafen Alexandria gebracht werden sollen.

Nach allen offiziellen Stellungnahmen aus Nato-Staaten dient diese Vorbereitung der Rettung von Flüchtlingen. US-Präsident Barack Obama hat Gaddafi zum Rücktritt aufgefordert und gedroht, ihn wegen des Vorgehens gegen die Zivilbevölkerung zur Verantwortung zu ziehen. Wie in den USA üblich, betont Obama, er halte sich „alle Optionen offen“, auch die militärische. Laut US-Medien gibt es dafür keine konkreten Pläne. Das Weiße Haus betrachte die Option einer Intervention „mit Zurückhaltung“. Andere Nato-Staaten würden sie nur auf Grundlage eines UN-Mandats erwägen. Bisher sind China und Russland dagegen. (mit AFP/dapd)

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