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Bürgerkrieg: Sri Lanka: Krieg und Bevölkerung am Ende

Einer der längsten und schmutzigsten Bürgerkriege der Welt scheint nach 26 Jahren in die letzte Phase zu gehen. Sri Lankas Militär rückte am Mittwoch weiter gegen die Tamilen-Rebellen der LTTE vor, die auf einem noch 15 Quadratkilometer breiten Küstenstreifen im Nordosten der Insel eingekesselt sind.

Einer der längsten und schmutzigsten Bürgerkriege der Welt scheint nach 26 Jahren in die letzte Phase zu gehen. Sri Lankas Militär rückte am Mittwoch weiter gegen die Tamilen-Rebellen der LTTE vor, die auf einem noch 15 Quadratkilometer breiten Küstenstreifen im Nordosten der Insel eingekesselt sind. Die LTTE scheint zu bröckeln: Ihr Medienchef Daya Master, der allerdings nie als Hardliner galt, habe sich ergeben, teilte das Militär mit. Auch der Übersetzer George habe sich gestellt und 3000 Kämpfer sollen von der Fahne gegangen sein.Von Guerillachef Velupillai Prabhakaran fehlte aber jede Spur. Gäbe er auf, könnte er seinem Volk noch mehr Blutvergießen ersparen und das Gemetzel beenden. Es kursierten Gerüchte, der 54-Jährige versuche, auf dem Seeweg zu fliehen. Andere fürchten, der für seine Skrupellosigkeit berüchtigte Rebellenchef wolle lieber Tausende tamilische Zivilisten mit in den Tod reißen als die Waffen niederzulegen.

Die Vereinten Nationen (UN) werfen Prabhakaran vor, die eigenen Landsleute als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen und mit Gewalt an der Flucht zu hindern. Auch die Regierung bezichtigen sie, den Küstenstreifen mit den Flüchtlingen zu bombardieren. Dem Roten Kreuz zufolge wurden binnen zwei Tagen Hunderte Menschen getötet. Auch am Mittwoch waren noch Zehntausende Kinder, Frauen und Alte zwischen den Fronten gefangen. Die UN lasten beiden Parteien Kriegsverbrechen an.

US-Diplomaten glauben, die Schlacht könne sich binnen 48 Stunden entscheiden. Derweil setzte sich die verzweifelte Massenflucht fort. Mehr als 81 000 Tamilen sind nach Regierungsangaben nun aus dem von der LTTE gehaltenen Küstenstreifen geflohen. Am Montag hatte das Militär einen Fluchtweg in einen von der LTTE gebauten Erdwall gesprengt – auch am Mittwoch strömten Tausende Tamilen, viele bepackt mit Bündeln, in Panik aus der Kampfzone. Andere schwammen durchs Meer oder retteten sich auf überfüllten, wackeligen Fischerbooten.

Die Menschen sind nach monatelanger Belagerung in einem erbärmlichen Zustand. Viele scheinen halbverhungert und am Ende ihrer Kräfte. Andere schleppen sich verwundet oder krank vorwärts. Helfern verbietet die Regierung – ebenso wie Journalisten – seit Monaten den Zutritt zu den Kampfzonen. Nur das Rote Kreuz durfte von der Meerseite zu den Menschen vordringen. Entscheidend ist nun, dass die Massen schnell versorgt werden. Die Menschen brauchen Wasser, Nahrung und medizinische Hilfe.

Auch die singhalesische Regierung von Präsident Mahinda Rajapakse nimmt den Tod von Zivilisten bei den Kämpfen in Kauf. Sie wähnt sich nach zweijähriger Offensive kurz vor dem Sieg. Rufe von Großbritannien nach einer Waffenruhe, um die Zivilisten aus der Kampfzone zu schleusen, lehnte Colombo ab.

Die Tamilen-Rebellen, die für einen eigenen Staat auf der Insel kämpfen, die so groß wie Bayern ist, hatten lange Zeit Teile des Ostens und fast den ganzen Norden kontrolliert. In einer zähen Offensive eroberte das Militär im Sommer 2007 zunächst den Osten zurück. Seitdem kämpft es sich Meter für Meter im Norden vor. Inzwischen hat die Armee die Rebellen auf dem 15 Quadratkilometer großen Küstenstreifen eingekreist. Seit 1983 hat der Bürgerkrieg weit mehr als 70 000 Menschen das Leben gekostet.

Vergeblich versuchte die internationale Gemeinschaft immer wieder, zwischen den Parteien zu vermitteln. Die „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ werden heute von mehr als 30 Ländern als Terrorgruppe eingestuft. Die Bilanz nach 26 Jahren Bürgerkrieg ist desaströs. Der Krieg hat den Hass zwischen Singhalesen und Tamilen geschürt. Die Tamilen leben in bitterer Armut. Prabhakaran unterdrückte das eigene Volk, ließ Rivalen oder Kritiker gnadenlos aus dem Weg räumen und die LTTE-Gebiete von Muslimen „säubern“.

Die internationale Gemeinschaft misstraut aber auch dem singhalesischen Populisten Rajapakse und seinen beiden Minister-Brüdern. Unter ihnen wurden in den vergangenen Jahren in Sri Lanka die Menschenrechte mit Füßen getreten, Journalisten und Kritiker getötet und die tamilische Minderheit verfolgt. Flüchtlinge soll die Regierung wie Kriegsgefangene hinter Stacheldraht eingepfercht haben.

Christine Möllhoff[Neu-Delhi]

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