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Fahrzeug-Konvoi der Vereinten Nationen am Donnerstagmorgen in Damaskus.

© Reuters

Bürgerkrieg: UN-Inspekteure sollen Syrien am Samstag verlassen

Wenn die UN-Experten Syrien verlassen, wächst die Wahrscheinlichkeit eines Militärschlags auf die Assad-Truppen. Die USA und Großbritannien wollen die Ergebnisse der Untersuchungen abwarten, betonen aber ihre Entschlossenheit. In Deutschland warnt SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück vor einer "leichtfüßigen" Intervention.

Die Chemiewaffen-Experten der Vereinten Nationen haben ihre Arbeit im Umland der syrischen Hauptstadt Damaskus am Donnerstag fortgesetzt. Gegner des Regimes von Präsident Baschar al Assad meldeten, das Team sei am Vormittag in den Bezirk Al-Ghuta Al-Scharkija gefahren. Es war für die Experten, die nach den Spuren eines Giftgas-Angriffs suchen, der dritte Tag im Feld.

Großbritannien will das Ergebnis der Untersuchungen abwarten, ehe es über einen Angriff auf syrische Militäreinrichtungen entscheidet. In der vergangenen Woche sollen im Umland von Damaskus Hunderte Menschen an den Folgen eines Giftgas-Angriffs gestorben sein. Die Opposition spricht von bis zu 1300 Toten der Angriffe.

Die syrische Regierung hat die Verantwortung zurückgewiesen. Sie machte am Mittwoch Terroristen für den Chemiewaffen-Einsatz verantwortlich. Diese hätten den Kampfstoff mit Hilfe der USA, Großbritanniens und Frankreichs freigesetzt.

Mehrere westliche Regierungen gehen nach Sichtung der bisher vorhandenen Informationen davon aus, dass nicht etwa Rebellen, sondern die Regierungstruppen die Dörfer mit Chemiewaffen attackiert haben.

Steinbrück warnt vor übereilter Militärintervention in Syrien

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück hat vor einer zu raschen Militärintervention gewarnt. Bevor „leichtfüßig einer militärischen Logik gefolgt“ werde, müssten sich die Anstrengungen darauf richten, eine gemeinsame Position des UN-Sicherheitsrats „zu scharfen Sanktionsmaßnahmen“ gegen Syrien zu finden, sagte er dem „Hamburger Abendblatt“ vom Donnerstag. Eine Reaktion des Westens auf die mutmaßlichen Chemiewaffeneinsätze in dem Bürgerkriegsland müsse „genau abgewogen werden“.

Er wisse dabei um die Schwierigkeiten mit Russland und China, sagte Steinbrück. Er erwarte aber von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), dass sie sich an Russlands Staatschef Wladimir Putin wende, „um Russland angesichts dieser schweren Völkerrechtsverletzung“ umzustimmen. Diesen Versuch müsse es geben. Russland und auch die Vetomacht China verhinderten bereits mehrfach scharfe Resolutionen gegen Syrien. Steinbrück sprach sich zudem dafür aus, den Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer in der kommenden Woche als „Syrien-Gipfel“ zu nutzen.

Obama: Habe noch keine Entscheidung getroffen

Ein US-geführter Angriff auf Syrien steht offenbar nicht unmittelbar bevor. Präsident Barack Obama erklärte am späten Mittwochabend, zwar habe das Militär ihm Optionen für einen Einsatz vorgelegt. Er habe jedoch noch keine Entscheidung getroffen.

In London musste sich Premierminister David Cameron dem Druck des Parlaments beugen und eine zweite Abstimmung zusichern, wenn die UN-Experten ihre Ermittlungen zum mutmaßlichen Chemiewaffen-Angriff bei Damaskus abgeschlossen haben. Dies wird für Anfang der kommenden Woche erwartet. In Syrien selbst versucht das Militär nach Angaben der Opposition, Mensch und Material in Sicherheit zu bringen.

Obama begründete die Notwendigkeit eines Angriffs mit der nationalen Sicherheit der USA. Die syrische Regierung sei für den Giftgas-Angriff vergangene Woche verantwortlich, sagte er dem Sender PBS. “Wir müssen dafür sorgen, dass Länder zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie die internationalen Normen bei Waffen - wie Chemiewaffen - verletzen, die für uns zur Bedrohung werden könnten.“ Ein Angriff werde maßgeschneidert und begrenzt sein, ein “Schuss vor den Bug“, um vor der Verwendung von Chemiewaffen abzuschrecken.

Britisches Parlament bremst David Cameron aus

Fahrzeug-Konvoi der Vereinten Nationen am Donnerstagmorgen in Damaskus.
Fahrzeug-Konvoi der Vereinten Nationen am Donnerstagmorgen in Damaskus.

© Reuters

Barack Obama steht in der Syrien-Krise innenpolitisch unter Rechtfertigungsdruck. Eine Reuters/Ipsos-Umfrage ergab vor einigen Tagen, dass 60 Prozent der US-Bürger einen Angriff ablehnen. Mitglieder beider Parteien haben zudem der Regierung vorgeworfen, sie nicht ausreichend in die Debatte einbezogen zu haben. Aus Kongress-Kreisen verlautete, am Donnerstag sollten Konsultationen mit führenden Abgeordneten stattfinden. Über eine Unterbrechung der Sitzungspause wurde zunächst nicht diskutiert. Der Kongress tritt regulär wieder am 9. September zusammen.

Cameron hat dagegen seinen Urlaub abgebrochen und die Abgeordneten nach London zurückgerufen. Im Laufe des Donnerstags soll das Unterhaus über Syrien beraten. Gedacht war ursprünglich, dass eine Abstimmung ein schnelles Handeln ermöglichen würde. Allerdings erzwang die Labour-Opposition in Zusammenarbeit mit Rebellen unter Camerons Konservativen eine zweite Abstimmung. Sie soll erst stattfinden, wenn der UN-Sicherheitsrat sich mit den Erkenntnissen der Experten in Syrien befasst hat. Am Donnerstag werde man noch keinen Einsatz billigen, sagte der konservative Abgeordnete Andrew Bridger. “Wir brauchen harte Beweise.“ Laut einer YouGov-Umfrage lehnt die Hälfte der Briten einen Angriff ab.

Großbritannien hatte am Mittwoch den Sicherheitsrat aufgefordert, zum Schutz der syrischen Bevölkerung einen Militäreinsatz gegen Präsident Baschar al Assad zu unterstützen. Die Sitzung ging ohne eine Entscheidung zu Ende.

Cameron hatte sich am Mittwoch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel per Telefon beraten. Der vermutete Giftgas-Angriff müsse Konsequenzen haben, hieß es anschließend. “Das syrische Regime darf nicht hoffen, diese Art der völkerrechtswidrigen Kriegführung ungestraft fortsetzen zu können“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.

Aus Damaskus berichteten Anwohner und Oppositionelle, die Sicherheitskräfte hätten zahlreiche Einrichtungen geräumt. Regierungsgegner in der Hafenstadt Latakia erklärten, syrische Kriegsschiffe dockten inzwischen neben zivilen Schiffen an. “Viele Kommandoposten werden in Schulen oder unterirdische Bunker verlegt“, sagte der übergelaufene Brigadegeneral Mustafa al Scheich. “Ich bin mir aber nicht sicher, ob das dem Regime wirklich helfen wird.“ (AFP/dpa/Reuters)

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