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BÜRGERSCHAFTSWAHL Hamburg hat gewählt: Frühaufsteher in der Kabine

Naumann wählt in den ersten Minuten, von Beust lässt sich Zeit – und die Hamburger kommen mit dem neuen Wahlrecht gut klar

Neun Monate Wahlkampf hinterlassen Spuren, und Michael Naumann hat in den vergangenen Wochen im kleinen Kreis immer mal wieder darauf hingewiesen, wie sehr ihn die Veränderung in seinem Gesicht überrascht und auch ein wenig deprimiert hat. Aber der 66-jährige Bürgermeisterkandidat liebt die sportliche Assoziation viel zu sehr – deshalb kämpft er bis zum Schluss, weil ein Spiel nun einmal 90 Minuten dauert und eine Wahl erst zu Ende ist, wenn die Wahllokale schließen.

Als einer der ersten Wähler hat er seine Stimme unmittelbar nach Öffnung der Wahllokale abgegeben. Anschließend hat er noch das restliche Wahlkampfmaterial verteilt, wieder viele Hände geschüttelt und tapfer in die Kameras gelächelt: Auf dem Fischmarkt, im Hafen, im Stadion des Kultklubs St. Pauli. Dem ehemaligen Kultur-Staatsminister im Kanzleramt unter Gerhard Schröder scheint die Wahlkampf-Ochsentour durch die Bezirke Spaß gemacht zu haben – so viel, dass er auf die Frage, ob er in diesem Job glücklicher ist als bei seinen bisherigen, spontan antwortete: Ja. Schon im Dezember hatte Naumann einen Bekanntheitsgrad von 80 Prozent. Sein Vorgänger Thomas Mirow erzielte diesen Wert erst am Ende des letzten Wahlkampfs.

Als CDU-Bürgermeister Ole von Beust gegen 10 Uhr 30 seine Stimme abgibt, sind die Kamerapulks schon so dicht, als habe er gerade seine Wiederwahl verkündet. In Tweedsakko und Pullover schnackt er gemütlich mit einem älteren Paar, ehe er seine Stimme in eine weiße Wahlurne mit rotem Deckel wirft: „Sieht ja aus wie eine Mülltonne“, witzelt er. Das passt ganz gut zur parteiübergreifenden Kampagne „Wirf deine Stimme nicht weg“. „Es ist einfacher als Sie denken“, ruft er den Journalisten zu – um sich dann so in der Strippe des Wahlstiftes zu verheddern, dass er fast der Nase lang auf den Teppichboden schlägt. In nur 37 Sekunden sind dann seine zwölf Stimmen auf den Wahlzetteln verteilt. SPD-Herausforderer Naumann braucht eine Minute und elf Sekunden länger, bis seine Wahlscheine in der Urne waren.

Auch den meisten anderen Hamburgern machte das neue Wahlrecht offenbar keine allzu großen Probleme: Eine Stimme für eine Partei, dann fünf für einzelne Kandidaten, weitere sechs Kreuze für die Bezirksversammlungen der Hansestadt, über die auch 65 000 wahlberechtigte EU-Ausländer abstimmen durften. Das erforderte eben ein paar Minuten mehr als gewohnt. Aber am extra eingerichteten Infostand in einer Schule in Hamburg-Niendorf klagte eine Wahlhelferin über Langeweile: „Ich habe seit acht Uhr erst eine Frage gehabt.“ Die hunderttausende von Musterstimmzetteln zum Üben, mit denen Landeswahlleiter Willi Beiß einen Rekord an ungültigen Stimmen und Chaos in den 1298 Wahllokalen verhindern wollte, haben sich offenbar gelohnt. (mit dpa)

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