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Tritt ab. Jens Böhrnsen, Bürgermeister von Bremen.

© dpa

Bürgerschaftswahl in Bremen: Jens Böhrnsen - Abgang eines Enttäuschten

Nach den herben Verlusten bei der Bremer Wahl gibt ein schwer getroffener SPD-Bürgermeister Jens Böhrnsen sein Amt ab. Es kann Wochen dauern, bis ein Nachfolger gefunden ist. Die Chancen für eine CDU-Beteiligung steigen. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung vom Tag in Bremen.

Bis Sonntag 18 Uhr war der Kompass des Bremer Bürgermeisters Jens Böhrnsen noch klar justiert. Seine rot-grüne Koalition würde bei der Bürgerschaftswahl zwar etwas an Fahrt verlieren, könnte aber trotzdem ihren Kurs vier Jahre lang fortsetzen. Und spätestens nach der nächsten Wahl könnte er mit 69 Jahren in den wohlverdienten Ruhestand gehen.

Seit Montag aber ist im Bremer Rathaus nichts mehr, wie es war. Böhrnsen gibt auf. Der völlig unerwartete Absturz der Bremer SPD auf ihr schlechtestes Wahlergebnis der Nachkriegszeit muss ihn so schwer getroffen haben, dass er nicht wieder als Regierungschef antritt. „Als Spitzenkandidat der SPD übernehme ich selbstverständlich Verantwortung für das enttäuschende Wahlergebnis für meine Partei“, teilt er um 13.10 Uhr in einer knappen Erklärung mit. Seine Entscheidung muss über Nacht gefallen sein. „Er wurde absolut nicht gedrängt“, heißt es in seinem Umfeld.

Der derzeit dienstälteste Ministerpräsident Deutschlands geht, obwohl er wegen seiner freundlichen, besonnenen Art von den meisten geschätzt wird. 2005 hatte er zunächst die große Koalition seines Vorgängers Henning Scherf fortgesetzt, bis er dann 2007 das Bündnis mit seinem grünen Wunschpartner auf den Weg brachte. Böhrnsens unerwarteter Abgang ist für Bremen ein mittleres Erdbeben, dem vielleicht ein weiteres folgen wird. Während SPD und Grüne vor der Wahl immer wieder ihren Willen zum Weiterregieren bekundet hatten, klang das bei SPD-Landesparteichef Dieter Reinken am Montag plötzlich etwas anders. Möglich sei auch ein Bündnis mit der CDU, bekundete er auf der Landespressekonferenz. „In welche Richtung wir marschieren“, sagte Reinken, werde erst entschieden, wenn das Endergebnis vorliege und analysiert worden sei. „Unser Ziel ist es, dass wir für Bremen etwas Stabiles erreichen“ – eine Anspielung auf die zusammengeschrumpfte Parlamentsmehrheit für Rot-Grün, aber auch auf die Inhalte, die künftig das Regierungshandeln bestimmen sollen, zum Beispiel Armutsbekämpfung und Bildung. „Ein ‚Weiter so!‘ geht nicht“, sagte Reinken.

CDU-Spitzenkandidatin Elisabeth Motschmann erneuerte prompt ihr Koalitionsangebot aus dem Wahlkampf. Auch der stellvertretende Landesparteichef Jens Eckhoff fand: „Wir sehen Rot-Grün als abgewählt.“ Und: „Die Wähler wollen Veränderung.“

Als Ursache für das Wahldebakel wird die Sparpolitik genannt

Noch bis Sonntagabend hätte kaum jemand eine CDU-Regierungsbeteiligung prophezeit. Alle Umfragen vor der Wahl hatten gezeigt, dass die Bremer zwar nicht mehr ganz so stark wie früher mit ihrem Bürgermeister zufrieden sind, aber doch wieder mehrheitlich für Rot-Grün stimmen würden. Klar, die Öko-Partei würde wieder auf ihr Bremer Normalmaß gestutzt, nachdem sie 2011 noch vom Erschrecken über das Fukushima-Reaktorunglück profitiert hatte. Aber dass auch die SPD rund sechs Prozentpunkte verlieren würde – unvorstellbar.

Lag das vielleicht an der ruhigen Hand, mit der Böhrnsen zu regieren pflegte? Hätte er nicht so präsidial auftreten, sondern sich offensiver mit klaren Ansagen in den Wahlkampf einmischen sollen? SPD-Chef Reinken fand am Vormittag, kurz vor dem angekündigten Bürgermeister-Rücktritt, von Wahlkampfverweigerung könne keine Rede sein.

Falls es das nicht war, was dann? Reinken und Grünen-Landesparteichef Ralph Saxe vermuten, dass viele Wähler verärgert waren über die seit Jahren praktizierte Sparpolitik des Senats. Der extrem verschuldete Stadtstaat muss es nämlich irgendwie schaffen, seine Neuverschuldung so herunterzuschrauben, dass er ab 2020 ohne neue Kredite auskommt. Das sieht die Schuldenbremse vor. Da bleibt eben manches Schlagloch ungestopft und manche nötige Vertretungslehrerstelle unbesetzt. Die Quittung dafür bekamen sowohl die SPD, weil sie der führende Regierungspartner ist, als auch die Grünen, weil sie mit Karoline Linnert die Finanzsenatorin stellen, die mit spitzem Stift rechnet. Saxe vermutet noch einen weiteren Grund: Angesichts eines klar vorhergesagten Siegs von Rot-Grün seien viele Wähler zu Hause geblieben.

Es kann Wochen dauern, bis sich die SPD auf einen Böhrnsen-Nachfolger geeinigt hat. Schon vor Böhrnsens Rückzug wurde in Bremen darüber spekuliert, wer ihn in einigen Jahren beerben könnte. Dabei wurden einige Männer genannt wie etwa Wirtschaftssenator Martin Günthner, Fraktionschef Björn Tschöpe oder der Bundestagsabgeordnete Carsten Sieling. Aber vielleicht wird es ja mal eine Frau. Da böte sich die angesehene Staatsrätin Ulrike Hiller an, seit 2012 Bremer Bevollmächtigte beim Bund. Die würde sich zumindest gut mit dem Länderfinanzausgleich auskennen.

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