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Merkel Tusk

© dpa

Bund der Vertriebenen: Keine Einigung im Streit um Steinbach

"Das dauert noch ein paar Tage": Merkel und Polens Premier Tusk vertagen in Hamburg den Streit um die BdV-Chefin Steinbach.

Wenn das Ausmaß des Lächelns von Angela Merkel irgendetwas zu bedeuten hat, dann muss man im Treppenhaus des Hamburger Rathauses an diesem Freitagabend fast Angst bekommen. „Nec aspera terrent“ steht im prächtigen Bogenrund über ihr und Polens Ministerpräsident Donald Tusk geschrieben – „Widrigkeiten schrecken nicht“. Von diesem Widrigkeiten hatte es im Vorfeld viele gegeben, doch sie haben einfach beschlossen, sie wegzulächeln an diesem Abend.

Lieber genießen beide beim traditionellen Matthiae-Festmahl im Großen Festsaal des Rathauses „Variation vom Bachseibling“ und „Essenz von der Rehstelze“, als sich mit diesem einen Streitthema auseinanderzusetzen, das im Vorfeld die Gemüter auf beiden Seiten so in Wallung gebracht hatte – ein Thema, dessen eigentliche politische Relevanz zwar gegen null tendiert, dessen Symbolwert jedoch kaum zu überschätzen ist.

Was als Posse beim „Bund der Vertriebenen“ (BdV) vor einer Woche begonnen hatte – dessen Spitze hatte durchblicken lassen, die Berufung seiner Präsidentin Erika Steinbach in den Stiftungsrat der geplanten Vertriebenengedenkstätte sei unumgänglich und alles andere eine „Erpressung“ durch Polen –, hat sich in den vergangenen Tagen zu einer sehr merkwürdigen deutsch-polnischen Kontroverse entwickelt. Vielleicht auch zu zweien, einer deutschen und einer polnischen.

„Das ist eine innerdeutsche Angelegenheit“ – mehr war von Tusk zu dem Thema beim Eintreten ins Rathaus nicht zu hören. Im Gegenteil: Er hoffe, das Thema werde an dem Abend „gewiss keine Rolle spielen“.

Natürlich stimmt das so nicht, und es hatte seinen Grund, dass Merkel in ihrer Festansprache vor 400 geladenen Gästen davon sprach, kritische Fragen „im Geist der Versöhnung und Freundschaft zu behandeln“. Denn Merkel hat noch immer keinen Ausweg aus dem Dilemma um Steinbach gefunden. Dieses Dilemma, so betonen liberal-europafreundlich denkende Politiker in Warschau wie deutsche Diplomaten dieser Tage regelmäßig, hatte man eigentlich schon im Februar des vorigen Jahres zu verhindern gehofft. Deutschland und Polen hatten damals ihren jahrelangen Streit um das „Zentrum gegen Vertreibungen“ beigelegt. Damals hatte sich Polens Premier gegen erhebliche Widerstände seitens der nationalkonservativen Opposition und des polnischen Präsidenten Lech Kaczynski mit der Einrichtung eines deutschen „Zentrums gegen Vertreibungen“ im Grundsatz einverstanden erklärt – weil es zwei deutsche Zusagen gab. Die eine beinhaltete, dass das Zentrum nicht unter der alleinigen Obhut der Vertriebenen eingerichtet werden sollte, sondern als Stiftung unter dem Dach des Bundes. Damit sollte sichergestellt werden, dass das Gedenken an Vertreibungen eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist – und nicht allein eine für den BdV, der in der Vergangenheit nicht immer an Versöhnung interessiert war.

Die zweite Zusage, so heißt es, ist die, die nun zu dem derzeitigen Schlamassel führte: Kanzlerin Merkel habe Premier Tusk damals versprochen, darauf hinzuwirken, dass Erika Steinbach nicht in den Stiftungsrat des „Zentrums“ berufen wird. Mit dieser Zusage in der Tasche konnte Tusk vor einem Jahr feierlich eine neue Ära der deutsch-polnischen Beziehungen verkünden.

Als diese Zusage in Deutschland nun in Vergessenheit zu geraten schien, schlug Warschau Alarm. Dass die neuerliche Debatte in Berlin begann, geriet da schnell in Vergessenheit. „Es gibt sowohl von polnischer Seite als auch von SPD-Seite eine so aggressive Haltung gegen meine Person, dass mein Verband einen Verzicht von mir überhaupt nicht akzeptieren kann“: Mit dieser BdV-Erklärung verengte sich der diplomatische Spielraum sowohl für Kanzlerin Merkel als auch für Polens Premier Tusk, das war in Hamburg deutlich zu spüren.

„Frau Steinbach muss entscheiden, was ihr wichtiger ist: ihr persönlich wichtiges Anliegen oder ein Platz im Stiftungsrat“, sagt denn auch Angelica Schwall-Düren, die Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaft.

Bis diese Entscheidung nicht gefallen ist, legt Merkel voreilige Initiativen in der Sache lieber auf Eis. „Das dauert noch ein paar Tage“, hatte sie vorher noch in Berlin durchblicken lassen – „daran wird auch die Begegnung mit dem polnischen Ministerpräsidenten nichts ändern“. So blieb dieser Abend in Hamburg der des Lächelns.

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