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An der Maschinerie des Finanzausgleichs wird derzeit gewerkelt.

© dpa

Bund-Länder-Finanzen: Die fehlende Stellschraube

Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern wird neu konstruiert. Eine Komponente ist die höhere Einwohnerwertung für die Stadtstaaten. Muss Berlin da möglicherweise Abstriche machen?

Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern ist schon eine ziemlich komplexe Sache. Vereinfacht gesagt funktioniert er wie ein Fleischwolf. In den Einfülltrichter wird das Geld der Steuerzahler hineingeschaufelt. Dann beginnt die Förderschnecke ihre Arbeit. Die Scheibe am Ende hat siebzehn Löcher, ein großes für den Bund, sechzehn kleinere für die Länder. Vereinfacht gesagt. In Wirklichkeit ist der Finanzausgleich eine ungleich kompliziertere Maschine. Seit einiger Zeit wird sie generalüberholt. Die Chefingenieure sind schwer am Werkeln. Offiziell wollen sie im Juni fertig sein mit der Skizze. Die Aufgabe lautet vor allem: Wie justiert man die Stellschrauben, damit am Ende keiner meckert.
Wer sich derzeit mit Ministerpräsidenten unterhält oder auch Finanzministern, der bekommt das mit den Stellschrauben schnell und oft zu hören. Allerdings haben derzeit noch alle Beteiligten recht unterschiedliche Vorstellungen davon, welche Stellschraube nun wie zu justieren ist. Zum Beispiel beim Umsatzsteuervorwegausgleich, einer der vier Hauptkomponenten. Auf den will die NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ganz verzichten, Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat das auch vorgeschlagen. Das Fähnlein der ostdeutschen Ministerpräsidenten ist strikt dagegen, unterstützt von Horst Seehofer. Baden-Württembergs Regierungschef Winfried Kretschmann plädiert für eine Mittellösung. Andere Stellschraubenkomponenten sind die Umsatzsteuerverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen, oder der engere Länderfinanzausgleich. Und, und, und. Jede Drehung an einer Stellschraube wirkt sich auf andere Teile der Maschine aus.

Aufwertung auf 135 Prozent

Allerdings fällt auf, dass über eine Stellschraube so gut wie gar nicht geredet wird. Nämlich die Einwohnerwertung zugunsten der Stadtstaaten. Die Bevölkerungszahlen Berlins, Hamburgs und Bremens werden im Länderfinanzausgleich bisher zu 135 Prozent angesetzt. Nicht zuletzt daher ist Berlin am Ende das Hauptnehmerland. An dieser Einwohnerwertung würden manche gern drehen. Auch im Bundesfinanzministerium hat man darüber nachgedacht. Doch in der Konstruktionsskizze, die Schäuble unlängst vorlegte, fehlt sie. Aber warum? Wäre die Einwohnerveredelung, wie Spötter sie nennen, Teil der Verhandlungen, müsste man an anderen Stellschrauben möglicherweise weniger drehen.
Begründet wird das Stadtstaatenprivileg damit, dass Großstädte eine andere Ausgabenstruktur haben. Etwa im Sozialbereich. Allerdings übernimmt der Bund seit Jahren immer mehr Soziallasten, was gerade die Stadtstaaten entlastet. Ist also eine Einwohnerwertung von 135 Prozent noch nötig? Genügten nicht vielleicht 125 Prozent? Oder ist eine Stufenlösung denkbar – für Bremen etwas mehr, für Berlin weniger? Immerhin ist die Hauptstadt im Aufschwung, die Aussichten sind gut. Die Einwohnerzahl wächst und wächst, und ändert man an der Einwohnerwertung nichts, wächst auch der Zufluss aus dem Finanzausgleich immer weiter (es sei denn, die Berliner Steuereinnahmen steigen deutlich stärker als die in den Zahlerländern, was nicht zu erwarten ist). Dass aktuell keiner über diese Stellschraube spricht, heißt freilich nicht, dass keiner der Konstrukteure darauf zurückkommt. Denn weniger für Berlin heißt mehr für andere. Vielleicht sollte sich Berlins Chefingenieur Michael Müller darauf einstellen.

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