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Bundeskanzlerin Angela Merkel, Erwin Sellering (links), Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, und Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt.

© Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Bund und Länder: Kurze Frist, langer Zwist

Verkürzte Verfahren im Bundesrat, zähe Verhandlungen über undurchsichtige Paketlösungen - das Bund-Länder-Verhältnis ist selten so schwierig gewesen.. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Albert Funk

Und wieder ist ein neuer Rekord zu vermelden: Zur letzten Bundesratssitzung in diesem Jahr gibt es, Stand Montag, 17 sogenannte Fristverkürzungsbegehren. Das bedeutet, dass Bundesregierung und Bundestag den Bundesrat bitten, auf das übliche Beratungsverfahren zu verzichten und die Sache beschleunigt zu behandeln. Im Laufe der Woche könnten noch weitere Fristverkürzungen für die Sitzung am Freitag hinzukommen. Gesetzgebung im Dezemberfieber, es muss hurtig gehen, manches soll noch zum 1. Januar in Kraft treten, die Länder sollen sich also nicht zieren. Das tun sie auch nicht, sie sind da offenbar gutmütig, die Bundesratsbeauftragten haben allen 17 Begehren nachgegeben.

So viele Anträge, auf den ordentlichen Gesetzgebungsgang zu verzichten, hat es in der Geschichte der Länderkammer noch nie gegeben. Zwar ist der Verzicht zeitlich überschaubar, es geht um drei Wochen Beratungszeit (und der Bundesrat würde im normalen Verfahren in der Folgesitzung im Februar beschließen). Aber die Ausnahme wird eben zur Regel gemacht. Und es geht nicht um Nachrangigkeiten: Die meisten Fristverkürzungen betreffen Zustimmungsgesetze, darunter größere Projekte wie das Teilhabegesetz.

Mammutsitzungen im Kanzleramt

Nun kann man das als einen Zufall in der Endphase dieser großen Koalition nehmen, Union und SPD wollen eben vor dem Wahlkampf Themen abräumen. Aber es wirkt doch symptomatisch, denn dass es um das Bund-Länder-Verhältnis nicht zum Besten bestellt ist, das kann man seit mehr als einem Jahr beobachten. Zuletzt am vorigen Donnerstag in der vorerst letzten Mammutsitzung der Bundesregierung mit der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt. Diese Runden sind, wegen der Flüchtlingskrise, aber auch wegen der Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer in den vergangenen beiden Jahren immer mehr zum normalen Regierungsinstrument geworden. Auch eine Art von Fristverkürzung, könnte man leichthin sagen – aber tatsächlich dienen sie nicht nur dazu, das normale Bundesratsverfahren zu umgehen, sondern stehen einer überschaubaren Gesetzgebung zunehmend im Weg. Denn deswegen geht einiges langsamer und zäher voran. Der neue Finanzausgleich etwa könnte schon seit dem Sommer im Gesetzblatt stehen, hätte der Bund nicht darauf bestanden, einen ganzen Packen anderer Vorhaben daran zu binden, die nur zum Teil mit dem Finanzausgleich zusammenhängen.

Ultimative Verknüpfungen

Zuerst wurde der Vorschlag der Länder für das neue Ausgleichssystem von der Bundesregierung ultimativ mit der Reform der Fernstraßenverwaltung verknüpft, um die umstrittene Bundesautobahngesellschaft durchzudrücken. Dann verzögerte der Bund die Dinge, weil er die Abrechnung der Flüchtlingskosten abwarten wollte, die dann, entgegen der verbreiteten Annahme, zugunsten der Länder ausging, welche diese Kosten realistischer eingeschätzt hatten. Und recht spät im Verfahren kam als weitere Zusatznummer des Bundes die Ausweitung des Unterhaltsvorschusses hinzu, bei dem nun völlig unterschiedliche Prognosen der Folgekosten die Verhandlungen verzögern – und damit das gesamte Paket.

Dabei geht es teils sogar um Grundgesetzänderungen. Die aber werden mittlerweile in einer Weise verhandelt, als drehe es sich um die Routinenovellierung einer Nebensache. Die Väter und Mütter des Grundgesetzes würden sich im Grabe herumdrehen, wenn sie sähen, wie in Berlin derzeit Verfassungspolitik gemacht werde, lautete eine Einschätzung aus der Bund-Länder-Runde in der Nacht zum Freitag.

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