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Sitz des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe

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Bundes-Verfassungsbericht: Wahlkreise könnten neu zugeschnitten werden

Die Verfassungsrichter legen dem Bundestag nahe, den Anteil der Minderjährigen in den Wahlkreisen bei künftigen Berechnungen stärker zu berücksichtigen. Bisher war die Gesamt-Bevölkerungszahl ausschlaggebend.

Der Bundestag muss die Wahlkreise künftig möglicherweise allein nach der Zahl der Wahlberechtigten einteilen – und nicht wie bisher auf der Grundlage der gesamten Wohnbevölkerung, also einschließlich der Minderjährigen. Das ergibt sich aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die am Mittwoch veröffentlicht wurde. Dort heißt es: „Die Wahlgleichheit gebietet grundsätzlich eine Einteilung der Wahlkreise auf der Grundlage der Zahl nur der Wahlberechtigten.“ Der Gleichheitsgrundsatz knüpft laut Gericht an der Trägerschaft des Wahlrechts an – und das haben nur Erwachsene. Damit wären die Wahlkreise ihrer Größe nach allein nach der Zahl der Wahlberechtigten zu berechnen (2 BvC 3/11). Eine entsprechende Wahlprüfungsbeschwerde gegen die Bundestagswahl 2009 nahm der Zweite Senat dennoch nicht an. Denn die Wahlrechtsgleichheit sei nicht berührt, solange sich der Anteil der Minderjährigen in den Wahlkreisen regional nur unerheblich unterscheide. Daher ist auch in allen Wahlkreisen die annähernd gleiche Erfolgschance der Erststimmen gewahrt. Erst wenn die Diskrepanz zwischen Wohnbevölkerung und Zahl der Wahlberechtigten im Vergleich der Wahlkreise größer wird als bisher, muss der Gesetzgeber eingreifen – entweder durch einzelne Korrekturen beim Zuschnitt oder eben mit einer völligen Neufestlegung der Wahlkreise allein nach der Zahl der Wahlberechtigten.
Einen ausdrücklichen Auftrag für eine Gesetzesänderung gab Karlsruhe nicht. Die Statistik zeige aber, so die Richter, dass der Anteil Minderjähriger regional nicht mehr so gleichmäßig sei, dass dies zu vernachlässigen wäre. Daher habe der Bundestag diesen Anteil künftig bei der Wahlkreiseinteilung „in den Blick zu nehmen“. Konkrete Zahlen werden aber nicht genannt. 2009 habe es bei 15 der 299 Wahlkreise erhebliche Abweichungen gegeben, was das Gericht aber als „vergleichsweise wenige Fälle“ bezeichnet. Vor der Wahl 2009 war ungefähr jeder siebte Wahlkreisbewohner jünger als 18 Jahre. In ostdeutschen Wahlkreisen waren es oft weniger (in Dessau-Wittenberg etwa nur 11,5 Prozent), in katholisch-ländlichen Gebieten deutlich mehr (Cloppenburg-Vechta 22,6 Prozent). Berlin liegt im Bundesschnitt.

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