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Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kritisiert, dass die Asylverfahren ohne ordentliche Identitätsprüfung nicht vertretbar seien.

© dpa

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Mitarbeiter kritisieren Asylpraxis

Die Identität der Flüchtlinge werde faktisch gar nicht mehr geprüft, beklagt der Personalrat des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Das öffne Terroristen und Betrügern Tür und Tor.

Bisher musste sich das Bundesflüchtlingsamt vor allem gegen Kritik von außen verteidigen. Doch nun kracht es auch im Inneren der Nürnberger Behörde ganz gewaltig. Die Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die seit fast eineinhalb Jahren im Akkord arbeiten und trotzdem mit der Bearbeitung der Asylanträge nicht hinterherkommen, wenden sich mit einem offenen Brief an Behördenchef Frank-Jürgen Weise.

Ihre Hauptkritikpunkte: Der Verzicht auf eine Identitätsprüfung bei vielen Flüchtlingen sei mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht mehr vereinbar und öffne Terroristen Tür und Tor. Dazu kommen eine viel zu schnelle Ausbildung der neuen Entscheider - Praktikanten entschieden inzwischen nach nur wenigen Tagen über menschliche Schicksale. Viel schwerer können Vorwürfe in einer Behörde kaum wiegen. Die Personalvertretung findet deutliche Worte in dem Brief, der im Intranet der Behörde veröffentlicht wurde und am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur vorlag: Die beschleunigten schriftlichen Asylverfahren bei Syrern, Eritreern, manchen Irakern und Antragstellern vom Balkan wiesen „systemische Mängel“ auf.

30 Prozent geben sich angeblich fälschlicher Weise als Syrer aus

Die Identität der Menschen werde inzwischen faktisch nicht mehr geprüft. Das führe dazu, dass „ein hoher Anteil von Asylsuchenden“ inzwischen eine falsche Identität angebe, um in Deutschland bleiben zu können und auch die Familie nachholen zu können. Laut Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geben sich 30 Prozent der Asylsuchenden als Syrer aus, sind in Wahrheit aber keine.

„Der Wegfall der Identitätsprüfung erleichtert zudem auch das Einsickern von Kämpfern der Terrormiliz IS nach Mitteleuropa und stellt ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar“, warnen die Vertreter des Gesamtpersonalrats sowie des örtlichen Personalrats. Um in Deutschland als syrischer Flüchtling geführt zu werden, reiche es aus, in einem schriftlichen Fragebogen an der richtigen Stelle ein Kreuzchen zu machen. Dies müsse nur noch ein Dolmetscher bestätigen.

Doch diese seien in der Regel nicht auf die deutsche Rechtsordnung vereidigt und meist kämen sie nicht einmal aus Syrien - daher könnten sie auch keine syrischen Dialekte unterscheiden, wie das Bundesamt dies vorgebe. De facto werde diesen Dolmetschern alleine die Prüfung des Asylgesuchs überlassen, kritisieren die BAMF-Mitarbeiter - ohne, dass der Asylbewerber jemals ein Pass vorgelegt habe oder von einem BAMF-Entscheider angehört worden sei. In der Akte sei dann nur ein zweizeiliger Vermerk darüber enthalten, dass keine Hinweise vorliegen, dass es sich bei dem Antragsteller nicht um einen Syrer handelt.

Praktikanten dürfen über Asylantrag entscheiden

„Eine solche massenhaft praktizierte Entscheidungspraxis steht unseres Erachtens mit einem rechtsstaatlichen Verfahren nicht im Einklang“, heißt es im Brief. Dabei sei selbst bei Vorlage eines Personaldokuments eine Echtheitsprüfung zwingend geboten. Darauf habe auch das Innenministerium hingewiesen.

Doch dessen Warnung, dass es in Beirut regelrechte Dienstleister gebe, die Antragspakete mit gefälschten Zeugnissen und Diplomen verkauften, werde missachtet und die Entscheider seien angehalten, den Flüchtlingsstatus ohne Echtheitsprüfung zuzuerkennen. Ein weiterer Kritikpunkt ist die Einarbeitung neuer Entscheider im „Hau-Ruck-Verfahren“: Kollegen der Bundesagentur für Arbeit, Praktikanten und abgeordnete Mitarbeiter anderer Behörden würden „nach nur einer drei- bis achttägigen Einarbeitung als „Entscheider“ eingesetzt und angehalten, massenhaft Bescheide zu erstellen“.

Offiziell gibt das BAMF die Einarbeitungszeit für Entscheider mit sechs Wochen an. Vor kurzem war die Einarbeitungszeit noch um ein Vielfaches länger. „Bevor die neuen Entscheider überhaupt die erste Anhörung alleine machen, haben sie eine Ausbildung von drei bis vier Monaten hinter sich“, betonte Weises Vorgänger Manfred Schmidt stets. Und dann würden sie noch nicht über komplizierte Fälle entscheiden. Aus diesem Grund ist es der Behörde trotz einer deutlichen Personalaufstockung auf inzwischen rund 3000 Mitarbeiter - davon 660 Entscheider - bislang auch nicht gelungen, den Berg von rund 330.000 Altfällen deutlich abzubauen. Nach massiver Kritik an Schmidt übernahm Weise - Chef der Bundesagentur für Arbeit - Mitte September zusätzlich die Leitung des BAMF. 

Bundesamt weist Vorwürfe zurück

Der Oberst der Reserve soll nun dafür sorgen, dass die Zahlen beim Flüchtlingsamt positiver ausfallen. In diesem Jahr kamen bereits fast 760.000 Asylbewerber neu nach Deutschland - davon knapp 244.000 allein aus Syrien. Das Bundesamt wies die Vorwürfe in dem Brief zurück. Die Identität der Antragsteller werde sehr wohl geprüft: Von allen Antragstellern würden Fotos gemacht und Fingerabdrücke genommen und die Daten unter anderem mit dem Bundeskriminalamt abgeglichen. Alle Honorardolmetscher würden zudem einer Sicherheitsüberprüfung unterzogen und ihre Qualifikation geprüft.

Die dreitägigen Schulungen hätten ausschließlich Kollegen betroffen, die früher viele Jahre als Entscheider im Einsatz gewesen seien und lediglich einer kurzen Auffrischung bedurft hätten. Aus Behördenkreisen heißt es dennoch, die derzeitige Praxis der schnellen Stempel habe sogar noch weiter reichende Folgen: Die Vielzahl von „handwerklich schlecht gemachten Entscheidungen“ werde im nächsten Schritt auch die Verwaltungsgerichte nahezu lahmlegen. (dpa)

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