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Update

Bundesbank: Jetzt entscheidet der Bundespräsident über Sarrazin

Die Tage von Thilo Sarrazin als Vorstand der Deutschen Bundesbank scheinen gezählt. Das Führungsgremium beantragt die Abberufung von Sarrazin als Mitglied des Vorstandes, teilte das Institut mit.

Die Bundesbank will beim Bundespräsidenten beantragen, ihr Vorstandsmitglied Thilo Sarrazin abzuberufen. Dies habe der Vorstand am Donnerstag einstimmig beschlossen, teilte die Bundesbank in einer Erklärung in Frankfurt am Main mit. Nur das Staatsoberhaupt kann auf Antrag des Instituts einen Bundesbankvorstand aus dem Amt entfernen. Das Präsidialamt kündigte an, den Antrag juristisch genau zu prüfen. Bundespräsident Christian Wulff hatte die Bundesbank bereits am Mittwochabend aufgerufen, Schaden von Deutschland abzuwenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßte die „unabhängige Entscheidung“ der Bundesbank. Sarrazin, SPD-Politiker und früherer Berliner Finanzsenator, sah sich bereits seit Tagen wegen seiner umstrittenen Thesen zur mangelnden Integration von Ausländern mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Zudem hatte er mit Interviewäußerungen, Juden teilten ein „bestimmtes Gen“, Empörung ausgelöst. Sollte der Bundespräsident ihn abberufen, wäre dies ein einmaliger Vorgang. Sarrazin sitzt seit Mai 2009 im Vorstand. Seine Amtszeit endet regulär 2014.

Sarrazin hat sich bislang auf die Meinungsfreiheit berufen, ein vorzeitiges Ausscheiden aber nicht mehr ausgeschlossen. Jedes Amt sei zeitlich begrenzt, sagte er am Mittwochabend in der ARD. Zugleich relativierte er erneut seine Aussage über ein „gemeinsames Gen“ aller Juden: „Ich bin definitiv nicht der Ansicht, dass es eine genetische Identität gibt.“ Zwar gebe es genetische Merkmale von Volksgruppen, „das ist eine wissenschaftliche Tatsache“. Er habe auf die Frage in einem Interview, ob es eine „genetische Identität“ gebe, eher zufällig die Juden genannt. Dies sei eine „inhaltliche Dummheit, keine inhaltliche Falschheit“ gewesen. „Ich hätte sagen sollen: Ostfriesen oder Isländer, dann wäre es kein Thema gewesen.“

Nach dem Beschluss des SPD-Bundesvorstands, Sarrazin aus der SPD auszuschließen, wird auch der für Sarrazins Wohnort zuständige Berliner Kreisverband Charlottenburg-Wilmersdorf ein Parteiordnungsverfahren einleiten. Der Vorstand hat am Donnerstagabend einstimmig einen entsprechenden Beschluss gefasst. Sarrazin habe durch Äußerungen und Feststellungen erheblich gegen die Grundsätze der SPD verstoßen und „zum wiederholten Male“ Beschlüsse des Parteitags und der Parteiorganisation infrage gestellt, steht in dem Antrag, der dem Tagesspiegel vorliegt.

Der Kreisvorstand führt unter anderem Sarrazins „grundsätzliche Diffamierung“ des Islam an. Hinzu komme die Nähe zur Rassenideologie des Nationalsozialismus durch seine Aussage zu Juden sowie der Einteilung der Wertigkeit von Menschen nach ihrer wirtschaftlichen Nützlichkeit und den damit verbundenen Vorschlägen zur schichten- und ethnienspezifischen Geburtensteuerung.

Am 6. September wird der Landesvorstand voraussichtlich ebenfalls ein Parteiordnungsverfahren mit dem Ziel, Sarrazin aus der SPD zu werfen, beschließen. „Das ist unausweichlich. Ich bedauere, dass es so weit kommen musste“, sagte der stellvertretende Parteivorsitzende und Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) am Donnerstag. Dass der Landesvorstand ein Eilverfahren mit Sofortmaßnahmen wie das unverzügliche Ruhen der Rechte aus der Parteimitgliedschaft, beschließt, ist aus juristischen Gründen unwahrscheinlich. Die Kreisschiedskommission in Charlottenburg-Wilmersdorf wird dann über die Verfahren entscheiden.

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