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Bundeshaushalt: Rekordschulden wegen der Krise

Die Wirtschaftskrise wird den Bundeshaushalt jahrelang weitaus stärker belasten, als bisher abzusehen war. Schon für 2010 erwartet die Bundesregierung ein Defizit von mehr als 100 Milliarden Euro, das sich auch in den darauffolgenden Jahren nicht signifikant verringern wird.

Von Antje Sirleschtov

Gleichzeitig wird die nächste Bundesregierung ein umfangreiches Sparprogramm auflegen müssen, um den Verpflichtungen der Schuldenbremse im Grundgesetz Genüge zu tun. Bund und Länder haben die Schuldenbremse im Frühjahr beschlossen. Sie zwingt den Bund, das Defizit bis 2016 auf rund neun Milliarden Euro (0,35 Prozent des Bruttosozialproduktes) zu senken.

Kommenden Mittwoch wird das Bundeskabinett den Etatentwurf für 2010 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2013 verabschieden. Auch ohne die Konjunkturprogramme und das Bankenrettungspaket werden die Ausgaben des Bundes allein 2010 um gut acht Prozent auf 328 Milliarden Euro anwachsen, die Steuereinnahmen allerdings auf 214 Milliarden Euro zurückgehen. Das Defizit von 86,1 Milliarden Euro muss der Bund mit neuen Schulden decken. Zusammen mit den noch nicht bezifferbaren Ausgaben aus Konjunkturprogrammen und dem Bankenrettungspaket sei eine Nettokreditaufnahme von mehr als 100 Milliarden Euro „nicht mehr auszuschließen“, sagte Finanzstaatssekretär Werner Gatzer am Freitag. Das wäre ein bisher „unvorstellbarer“ Rekord. Auch ohne diese noch unbekannten Kosten werde der Bund 2010 jeden deutschen Bürger mit annähernd 1000 Euro neuen Schulden belasten müssen. Das Ziel vom ausgeglichenen Bundeshaushalt, das die große Koalition 2011 wahr werden lassen wollte, sei damit „in weite Ferne“ gerückt.

Die Krise wird zu Steuermindereinnahmen und zusätzlichen Ausgaben für den Arbeitsmarkt führen. Anders, als es Hans Eichel unter Rot-Grün tat, will die große Koalition diesen Mindereinnahmen und Mehrausgaben nicht hinterhersparen. Technisch heißt das: die automatischen Stabilisatoren wirken lassen. Allein 42 Milliarden Euro weniger Steuern wird der Bund einnehmen, wobei rund zehn Milliarden Euro davon auf die Absetzbarkeit der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge von der Steuer, eine Forderung des Bundesverfassungsgerichtes, zurückgehen. Für steigende Kosten der Arbeitslosigkeit rechnet das Finanzministerium sowohl mit einem 20- Milliarden-Euro-Darlehen an die Bundesagentur für Arbeit als auch mit um zehn Milliarden Euro höheren Hartz-IV-Kosten. Ein zusätzlicher Zuschuss von 6,3 Milliarden Euro an den Gesundheitsfonds soll die Krankenversicherungsbeiträge konstant halten.

Der finanzpolitische Blick in die nächsten vier Jahre – also bis 2013 – zeigt für den Bundeshaushalt ein Defizitvolumen von mehr als 260 Milliarden Euro, ohne die zusätzlichen Kosten für Krisen-Tilgungsfonds und Bankenrettungspaket. Zudem unterstellt er, dass die Wirtschaft 2010 um 0,5 und in den Jahren danach um real 1,9 Prozent wächst.

Auf die nächste Regierung, die Ende September ins Amt gewählt wird, kommt allerdings nicht nur dieser Schuldenberg, sondern auch die Verpflichtung zu, denselben rasch abzubauen. Die Schuldenbremse zwingt den Bund, pro Jahr rund 0,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu sparen oder auf entsprechende Steuermehreinnahmen zu setzen. Allein 2011, so weist es die Finanzplanung aus, müssen fast fünf Milliarden Euro gespart werden, 2012 sind es 11,1 Milliarden und 2013 rund 18 Milliarden Euro. Wie das geschehen soll, soll die nächste Regierung entscheiden. Die Beträge sind in der mittelfristigen Finanzplanung als „globale Minderausgaben“ festgehalten. Steuersenkungen, sagt der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, sind „damit in der gesamten nächsten Legislaturperiode ausgeschlossen. Das sieht jetzt jede schwäbische Hausfrau.“

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