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Haushaltsdebatte im Bundestag.

© Michael Kappeler/dpa

Bundeshaushalt und Flüchtlinge: Fahren auf Sicht

Der Bundestag berät den Haushalt für 2016. Etwa acht Milliarden Euro mehr für Flüchtlinge sind eingeplant. Reicht das? Man weiß es nicht. Daher ist Flexibilität gefragt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Der Bundestag debattiert den Haushalt für 2016. Am Freitag wird er beschlossen. Etwa acht Milliarden Euro zusätzlich sieht der Bundeshaushalt im kommenden Jahr für die Flüchtlingskosten vor. Es ist Geld für Unterbringung, Versorgung, Integration, Sicherheit, Verwaltung. Reicht das? Die links-grüne Opposition meint, es reiche nicht. Das schwarz-rote Regierungslager ist der Ansicht, dass man zunächst damit auskommen kann. Zwar haben die Verantwortlichen auf der Bundesebene die Herausforderung lange unterschätzt, was aber nicht heißen muss, dass Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble nun, fixiert auf die schwarze Null, diesen Fehler fortsetzen. Sie wollen auf Sicht fahren. Und die schlichte Wahrheit lautet ja auch: Kein Mensch weiß, wie sich die Flüchtlingszahlen entwickeln werden, wie viele tatsächlich in Deutschland bleiben, wie viele Eltern und Geschwister nachgeholt werden dürfen. Man kann nicht mit konkreten Zahlen planen. Man weiß nur, dass es mehr sein werden als man vor Monaten glaubte. Und dass es daher mehr kosten wird als gedacht. Wie viel genau, auch das weiß niemand. Die Milliarden-Schätzungen, die nun gerade wöchentlich von Ökonomen veröffentlicht werden, gehen auseinander, haben aber eines gemeinsam: Sie beruhen auf Annahmen, sie legen Szenarien zugrunde, von denen man auch nicht sicher sagen kann, ob sie sich bewahrheiten oder nicht. Der Sachverständigenrat hat festgestellt, dass der Flüchtlingszustrom finanziell zu verkraften ist, auch über mehrere Jahre hinweg. Ein Teil der Flüchtlinge wird integriert werden und Arbeit finden, also zu Steuerzahlern und Rentenbeitragszahlern werden. Wie viele? Auch das weiß man heute nicht genau, aber es können, folgt man den Sachverständigen vom aktuellen Stand aus, bis zu 250000 sein. Immerhin. Und viele Flüchtlinge werden auch wieder gehen, das ist die Erfahrung aus der Balkankrise in den Neunzigerjahren.

Prinzip Hoffnung reicht nicht

Klar ist nur eines: Bund, Länder und Kommunen sollten nicht nach dem Prinzip Hoffnung agieren, sondern in der Lage sein, ihre Ausgabenpläne kurzfristig und flexibel anzupassen. Wenn’s sein muss, müssen Nachtragshaushalte verabschiedet werden. Das ist dann kein Ausdruck falscher Planung, sondern eines vernünftigen und pragmatischen Umgangs mit der Krise. Wegen der Schuldenbremse ist der Ausweg in die Höherverschuldung begrenzt. Denn nach dem Grundgesetz ist ein Abweichen nur gestattet wegen Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notlagen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen. Eine Notlage ist die Flüchtlingskrise gewiss, aber dass sie die Kontrolle verloren haben - das werden die politisch Verantwortlichen kaum anstreben. Und die haushaltspolitischen Zwänge müssen kein Nachteil sein. Denn in Krisen können auch Chancen liegen, wie Kanzlerin Angela Merkel am Mittwochmorgen im Bundestag sagte. Die Anspannung durch die Flüchtlingskosten kann auch dazu führen, dass man Posten für Posten durchforstet, ob wirklich alles sein muss, was sich da an größeren und kleineren Ausgaben mit der Zeit angesammelt hat.

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