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Bundesimmissionsschutzgesetz: Erwachsene für Kinderlärm

Der Bundestag ändert das Immissionsschutzgesetz - zugunsten spielender Kinder. Die sonst üblichen Grenzwerte sollen künftig nicht mehr herangezogen werden. Somit ist auch der Bau von Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten möglich.

Von Matthias Meisner

Berlin - Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) lobte den Lärm spielender Kinder in den höchsten Tönen. Toben, Spielen und „natürlich auch Lärm“ gehörten bei Kindern dazu, sagte Röttgen am Donnerstag im Bundestag. „Es gibt keine geräuschfreien Kinder. Wir wollen auch keine geräuschfreien Kinder.“ Anschließend verständigte sich das Parlament mit großer Mehrheit auf die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes.

31 dort eingefügte Wörter sollen eine weitreichende Wirkung haben. „Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, sind im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung“, heißt es in der Novelle, die von der Regierungskoalition eingebracht worden war – die sonst üblichen Immissionsgrenz- und -richtwerte sollen künftig nicht mehr herangezogen werden. In der Konsequenz bedeutet das auch, dass der Bau von Kindertageseinrichtungen in reinen Wohngebieten generell zuzulassen ist. Wobei die Formulierung „im Regelfall“ nicht ohne Bedeutung ist, wie die FDP-Politikerin Nicole Bracht-Bendt betonte: „Es kann also Ausnahmen geben.“ Röttgen sagte, die bisherige Rechtslage sei inakzeptabel gewesen, die Korrektur mithin „überfällig“ und ein „wichtiges gesellschaftspolitisches Signal“.

Grundsätzlich sieht dies auch die Opposition so. Vom „Meilenstein für die Kinderrechte in unserem Land“ sprach etwa die Grünen-Abgeordnete Katja Dörner. Ebenso wie die anderen Oppositionsfraktionen SPD und Linke kritisieren die Grünen aber, dass die Bundesregierung sich auf Kinderlärm beschränkt. Dörner etwa forderte eine „Klarstellung“ auch für den Lärm, der von Bolzplätzen oder Skateranlagen ausgeht. Ute Vogt von der SPD betonte das Recht der Jugend auf Lärm. Die Koalition habe sich vor dem „eigentlichen Konflikt“ gedrückt. Kind ist man nur bis zum 14. Geburtstag. „Schwachsinn“ sei es also, sagte der Linken-Abgeordnete Ralph Lenkert, dass Kinder auf dem Bolzplatz spielen dürften – aber Klagen sofort möglich werden, wenn sich Jugendliche oder etwa auch Großeltern dazugesellen. Auch Freizeitsportler sollten ein Recht auf Lärm haben.

Vorreiter beim Schutz von Kinderlärm war Berlin. Das Landesimmissionsschutzgesetz wurde bereits vor gut einem Jahr geändert. Mithin sind in der Hauptstadt von Kindern verursachte Geräusche bereits bisher „juristisch als sozial adäquat und damit zumutbar“ zu beurteilen, wie es die zuständige Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) formulierte. Ihre Behörde konnte am Donnerstag auf Anhieb nicht beurteilen, ob die Gesetzesänderung im Land weiterreichend ist als die Regelung, die jetzt bundesweit getroffen wurde. Die Prüfung dazu laufe noch, sagte eine Sprecherin.

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