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Politik: Bundeskanzler Schröder lässt Peter Struck ein weiteres Mal zurückpfeifen - keine Änderungen an den Beschlüssen

Mancher Minister dürfte beim Blick in die Morgenzeitungen schlechte Laune bekommen haben, als er sich auf den Weg zur Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt machte. "SPD wackelt bei der Rentenreform", hieß es da.

Mancher Minister dürfte beim Blick in die Morgenzeitungen schlechte Laune bekommen haben, als er sich auf den Weg zur Sitzung des Bundeskabinetts im Kanzleramt machte. "SPD wackelt bei der Rentenreform", hieß es da. Oder: "SPD im Rentenstreit zum Kompromiss bereit". Der Kanzler soll während der Sitzung nahezu getobt haben, heißt es. Urheber der Zorn erregenden Schlagzeilen: SPD-Fraktionschef Peter Struck. Die Nachricht des Tages sollte nach dem Willen des Kanzlers eine andere sein. Am Mittwoch beschloss das Kabinett das Sparpaket von Bundesfinanzminister Eichel (SPD). Und die umstrittene Absicht der Regierung, die Renten 2000 und 2001 nur in Höhe eines Inflationsausgleichs steigen zu lassen, ist ein Kernpunkt dieses Pakets.

Nein, die Regierung wackelt nicht, wies Eichel später prompt auch alles zurück. "Veränderungen sind möglich, aber nicht am Ziel und nicht an den Zahlen", sagte er. Und fügte noch einmal hinzu: "Wir wollen das durchsetzen." Und dann bekam SPD-Fraktionschef Peter Struck sein Fett weg. "Nichts anderes hat der Fraktionsvorsitzende der SPD gestern Abend gemeint", sagte Eichel. Struck hatte nach dem Rentengipfel mit den Gewerkschaften gesagt, es sei doch "völlig klar, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es hineingeht". Das wurde als Indiz dafür gewertet, er rücke selbst von den Sparplänen der Regierung ab. Immerhin hat Struck gelegentlich hinter verschlossenen Türen Zweifel geäußert, dass Eichel sein Sparpaket durchsetzen kann.

Den Eindruck gewannen offenbar auch einige Gewerkschafter während des Rentengipfels mit der SPD im Bundestag. "Ich habe den Eindruck, dass die SPD-Bundestagsfraktion nachdenklich geworden ist, sagte der Sozialexperte der DAG, Lutz Freitag, dem Tagesspiegel. Sie scheine selbst nicht mehr glücklich über ihre Pläne zu sein, den Anstieg der Renten auf den Inflationsausgleich von 0,7 Prozent in 2000 und 1,6 Prozent in 2001 zu beschränken. Wie andere Teilnehmer des Rentengipfels von Gewerkschaftsseite lehnt auch Freitag "die gefährliche Entwicklung" ab, die die Abkehr von der nettolohnbezogenen Rentenanpassung seiner Ansicht nach bedeutet. "Das eröffnet in der Tat die Gefahr des Abdriftens in ein anderes System", befürchtet der Gewerkschafter. Dass gespart werden müsse, sieht auch er ein, und "über das Finanzvolumen kann man sich verständigen".

Kann man nicht, widersprach Finanzminister Eichel am Mittwoch. Substanz und Volumen seines Sparpakets will er nicht antasten lassen. Und die Rente ist ein Riesenbrocken in seinem Paket. Im kommenden Jahr bringt die Beschränkung der Rentensteigerung auf den Inflationsausgleich ihm 2,8 Milliarden Mark. Im kommenden Jahr wächst der Sparbeitrag auf 6,9 Milliarden Mark an.

Freitag hofft nun, dass die Experten, die nach Absprache mit der SPD-Fraktionsspitze die parlamentarische Beratung der Rentenanpassung begleiten, noch Änderungen vorlegen. Er geht davon aus, "dass auch anders ein gehaltvolles Sparvolumen aktiviert werden kann". Möglich seien zum Beispiel eine modifizierte Nettoanpassung, in der die Familienleistungen herausgerechnet werden oder eine Rückkehr zu einem Bruttolohnprinzip.

Bei der von Arbeitsminister geplanten privaten Zusatzversorgung brachte der Rentengipfel dagegen Bewegung. Kein Wunder, immerhin wurde gut zwei Drittel der Zeit über die eigentlichen Reformvorschläge diskutiert. Noch gibt es Bedenken gegen eine obligatorische Zusatzversorgung. Doch könnten sich die Gewerkschaften damit anfreunden, wenn es Wahlmöglichkeiten gibt - zum Beispiel tarifvertraglich vereinbarte Modelle. "Das ist auf jeden Fall besser als eine Rückkehr zum demographischen Faktor", meint auch Freitag. Zumindest da sind sich Regierung und Gewerkschaft einig.

Carsten Germis, Thomas Kröter

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