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Politik: Bundesnachrichtendienst: BND-Chef sieht weltweite Aufrüstung als größtes Problem

Bis zum Jahr 2003 will der Bundesnachrichtendienst seine Abteilung 3 "Auswertung" nach Berlin verlegt haben. Wie BND-Chef August Hanning bei einem Besuch im Tagesspiegel sagte, werden dann etwa 1000 der 5900 Mitarbeiter des Auslands-Geheimdienstes in der ehemaligen Roosevelt-Kaserne in Lichterfelde arbeiten.

Bis zum Jahr 2003 will der Bundesnachrichtendienst seine Abteilung 3 "Auswertung" nach Berlin verlegt haben. Wie BND-Chef August Hanning bei einem Besuch im Tagesspiegel sagte, werden dann etwa 1000 der 5900 Mitarbeiter des Auslands-Geheimdienstes in der ehemaligen Roosevelt-Kaserne in Lichterfelde arbeiten. Hanning trägt schon jetzt mindestens einmal pro Woche in Berlin vor, wenn bei der traditionellen "Lage" im Bundeskanzleramt dienstags die Entwicklungen und potenziellen Gefahrenherde der Welt analysiert werden.

Das "mit Abstand größte Problem" sieht Hanning derzeit in der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, erst auf den nächsten Plätzen folgten Terrorismus, Drogenhandel und illegale Migration. Die weltweite Aufrüstung habe auch mit der Erfahrung der großen waffentechnischen Überlegenheit des Westens bei den Kriegen gegen Irak und Kosovo zu tun. Staaten im Nahen und Mittleren Osten, aber auch in Asien versuchten sich Abschreckungswaffen zu verschaffen, um nicht in vergleichbare Situationen zu geraten. Immerhin könne er sagen, dass deutsche Firmen, die weltweit führend im Anlagenbau sind und früher mit dem Bau von Giftgasanlagen in Libyen und Irak in Verbindung gebracht worden waren, in den jüngsten Jahren nicht mehr auffällig geworden seien - vielleicht dank stärkerer Beobachtung und mehr Kontrolle durch die Behörden, die für die Genehmigung heikler Exporte zuständig sind.

Zur Situation in Jugoslawien sagte Hanning, man könne nicht ausschließen, dass die alten Strukturen weiter versuchen werden, ihre Macht zu bewahren: "Serbien hat keine zivile Gesellschaft mit demokratischen Traditionen und breitem Bürgertum." Der neue Präsident Kostunica habe keine Mehrheit im Parlament. Bisher sei er jedoch geschickt mit der prekären Lage umgegangen. Russland habe sich erst sehr spät auf den Machtwechsel eingestellt. Dann aber habe Außenminister Iwanow Milosevic beim Besuch in Belgrad offenbar dazu gebracht, Kostunicas Sieg anzuerkennen. Moskau zeige kein Interesse, den gestürzten Staatschef bei sich aufzunehmen.

Zu den Unabhängigkeitsbestrebungen in Kosovo und Montenegro sagt Hanning, es liege im deutschen Interesse, die jetzige Bundesrepublik Jugoslawien zusammenzuhalten - als beste aller schlechten Möglichkeiten -, damit nicht weitere Grenzen auf dem Balkan in Frage gestellt werden. Er kann sich nicht vorstellen, dass der unter Milosevic wegen des Nato-Luftkriegs verhängte Haftbefehl gegen Kanzler Schröder und Außenminister Fischer unter Kostunica noch vollstreckt wird, falls sie den Wahlsieger in Belgrad besuchen sollten.

Aus Tschetschenien werde zwar nur noch selten auf den Titelseiten berichtet, der Krieg gehe aber mit Brutalität weiter. So lösche Russlands Armee mit Distanzwaffen ganze Dörfer aus, und die Rebellen behandelten russische Gefangene ebenso menschenverachtend. Wichtig sei, dass diese Vorgänge genau untersucht werden. Ein Ende sei nicht in Sicht, zumal die Armee schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet sei.

Wie seit langem befürchtet, drohen große Teile Zentralasiens in die Auseinandersetzung hineingezogen zu werden: neben Afghanistan auch Tadschikistan, Usbekistan und Kirgistan. Wenn die Islamisten das fruchtbare Fergana-Tal eroberten, hätten sie de facto die Kontrolle über alle diese Republiken. Das werde auch das ferne Deutschland zu spüren bekommen - durch neue Flüchtlingsströme und gesteigerten Drogenschmuggel, über den diese Kriege finanziert werden. Russland fehle es am Willen und an den Ressourcen, diese Gefahr abzuwenden.

Zum Verhältnis des BND zu anderen Geheimdiensten sagte Hanning, der BND halte weltweit Kontakte zu Nachrichtendiensten, darunter auch Diensten aus Ländern, die nicht unseren demokratischen Maßstäben entsprechen. Diese Kontakte seien nicht nur wichtig für die Beurteilung der Situation in diesen Ländern, sondern seien auch hilfreich bei der Lösung akuter Krisen. So sei er, Hanning, nicht erst im Zuge der Lösung für die Jolo-Geiseln zwei bis drei Mal nach Libyen gereist, der BND habe schon früher Kontakte zu den libyschen Diensten unterhalten. Geiselnahmen wie die der Wallerts auf der philippinischen Insel Jolo seien auch künftig in Regionen, in denen der Guerillakrieg herrscht oder die von den Regierungen nicht zuverlässig kontrolliert werden, kaum zu verhindern. So seien auch auf den Philippinen schon früher Geiselnahmen vorgekommen. Neu sei allerdings gewesen, dass ausländische Touristen betroffen waren.

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