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Angela Merkel regiert in der dritten Legislaturperiode, und die Deutschen halten zu ihr.

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Bundesparteitag der CDU: Die riskante Selbstsicherheit der Partei von Angela Merkel

Die Grünen sind inzwischen an mehr Länderregierungen beteiligt als die Volkspartei CDU. Und dennoch: Die Umfragewerte für die Merkel-Partei stimmen. Beim Bundesparteitag werden sich die Christdemokraten deshalb gewohnt selbstsicher geben - doch das könnte sich rächen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

In Thüringen wird die CDU für Jahre auf der harten Bank der Opposition sitzen. In Baden-Württemberg mochten sich dieser Tage kaum die Hälfte der CDU-Mitglieder überhaupt an einer Abstimmung über den eigenen Spitzenkandidaten beteiligen. Und dass Frank Henkel irgendwann mal Regierender Bürgermeister von Berlin werden könnte, glaubt kein Mensch. Nein, man kann dieser CDU wirklich nicht attestieren, dass sie die Menschen mit Zukunftsthemen aus der Gleichgültigkeit herausholt oder zumindest von ihren politischen Konzepten überzeugt.

Und trotzdem stimmen die Umfragewerte. Ein Paradox? Natürlich nicht. In dieser Woche trifft sich in Köln zu ihrem Bundesparteitag eine CDU, die ihre nach außen getragene Selbstsicherheit nur noch aus der Stärke ihrer Kanzlerin bezieht. Angela Merkel regiert in der dritten Legislaturperiode, und die Deutschen halten zu ihr. Sie hat Lehman Brothers überlebt, die Eurokrise, und auch in der Auseinandersetzung mit dem russischen Aggressor Putin muss sie ihr Volk nicht fürchten. Die Wirtschaft läuft einigermaßen, die Gewerkschaften haben ihre Rente mit 63 bekommen und die Geringverdiener den Mindestlohn. Die Deutschen schätzen diese Sicherheiten, sie fürchten das Ungewisse. Das scheint fürs Erste zu genügen, um Merkels Position im Kanzleramt zu festigen.

Das Morgen der CDU sieht trübe aus

Für die CDU könnte diese Sicherheit zur Falle werden. Umfragen spiegeln den Erfolg von heute. Das Morgen sieht trübe aus: Nach der Wahl in Thüringen sind die Grünen an mehr Länderregierungen beteiligt als die CDU, als die Volks-Partei CDU. Absehbar, dass Merkel geht. Und dann? Mit welchen Argumenten wollen die Christdemokraten um Stimmen werben? Und vor allem: Mit welchen Politikern? Die Entzauberung der Ursula von der Leyen hat längst begonnen, um Thomas de Maizière wird es beständig stiller, und aus den Bundesländern drängt niemand in die erste Reihe, der das Zeug für ganz große Aufgaben hat.

Dass sich die Delegierten des Kölner Parteitags mit einer solch weltbewegenden Entscheidung wie der Abschaffung der kalten Progression im Steuerrecht beschäftigen, ist geradezu symptomatisch: Wer seine Programmatik bis ins Unkenntliche aufweicht und jede Kante aus Sorge um die Machterhaltung rund geschliffen hat, der muss sich nicht wundern, dass plötzlich Absurditäten zu Glaubensfragen aufwachsen. Im Grunde hat Wolfgang Schäuble ja recht: Die Leute werden es noch nicht mal merken, wenn angesichts der mageren Inflation ihre Lohnerhöhung um die Preissteigerung bereinigt wird. Und doch ist es von Bedeutung, dass sich die CDU festlegt – Steuersenkung vor 2017 oder erst irgendwann.

Weil ihre Wirtschaftspolitiker einen Anker brauchen, seit das Bekenntnis zum schuldenfreien Staat zum parteipolitischen Mainstream gehört und niemand mehr weiß, warum ein CDU-Politiker mehr Wirtschaftskompetenz als SPD-Chef Sigmar Gabriel besitzen soll. Und weil junge Politiker wie Jens Spahn und Carsten Linnemann ein Zeichen ihrer Partei benötigen, aus dem sie Mut zum Weitermachen in der Politik schöpfen können. Oder eben nicht. Darum geht es in Köln. So banal und klein angesichts von Kriegen und Flüchtlingen. Und doch so wichtig für diese CDU. Die Alten sollten das wissen, sie haben die Entleerung unter dem ewigen Kanzler Helmut Kohl schon einmal mitgemacht.

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