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Pofalla

© dpa

Bundesparteitag: Die CDU sucht ihre Mitte

Bei der Arbeit an den Leitanträgen für den Bundesparteitag ist besonders die Stammklientel im Blick der CDU-Oberen.

Von Robert Birnbaum

Berlin – Es gibt Sätze, die haben das Zeug dazu, für circa zwei Wochen unsterblich zu werden. Ronald Pofalla ist so einer eingefallen. „Kernkraft ist für die CDU Öko-Energie“, verkündet der CDU-Generalsekretär am Montag, und man sieht ihm dabei an, wie der Einfall ihn selbst entzückt. Der Satz fasst den einzigen Punkt im jüngsten Öko-Programmpapier der Partei zusammen, über den in Präsidium und Vorstand wenigstens kurz diskutiert worden ist. Daraufhin ist die Passage mit dem Bekenntnis zur Atomkraft sogar leicht ergänzt worden: Wenn der Atomkonsens aufgekündigt und die Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke verlängert werden würde, steht jetzt dort, solle die Energiewirtschaft einen „beachtlichen“ Teil der Zusatzgewinne aus den längst abgeschriebenen Meilern in die Senkung der Strompreise und die Forschung nach alternativen Energien stecken.

Ein Ausstieg aus dem Ausstieg mit sozialer und ökologischer Abfederung also gewissermaßen. Was „beachtlich“ gegebenenfalls meint, will Pofalla nicht beantworten. „Na gut“, sagt er, „da wollten wir uns auch nicht festlegen.“ Worauf sich übrigens das „auch“ bezog, bleibt Pofallas Geheimnis – vielleicht auf den Rest des Leitantrags für den Parteitag im Dezember, den die CDU-Führung ohne weitere Debatte abgenickt hat. Schließlich geht es bei dem Papier weniger um die „Bewahrung der Schöpfung“, wie der Titel lautet, als um die Bewahrung der eigenen Mehrheitsfähigkeit im Fünfparteiensystem. Man erkennt das schon daran, dass Pofalla mit strenger Miene behauptet, das Thema sei „viel zu ernst“ für taktische Spielchen, zugleich aber vermeldet, die CDU als Volkspartei sei „breit aufgestellt“.

Man erkennt es aber außerdem an einem Arbeitsauftrag, den die CDU-Vorsitzende Angela Merkel ihrem General erteilt hat. Bis August soll Pofalla einen dritten Leitantrag für den Bundesparteitag in Stuttgart vorbereiten – der zweite neben dem Öko-Papier widmet sich 20 Jahren deutscher Einheit und soll im Laufe einer Art Ost-Sommeroffensive entstehen, die am nächsten Montag mit einer Präsidiumssitzung in Halle eingeläutet wird.

Vom dritten Antrag also gibt es bisher nur den Titel: „Die Mitte stärken“ soll er heißen und sich mit Fragen von Wirtschaft, Arbeit, Energie und Bildung befassen. Die Initiative folgt der Erkenntnis, dass es ein Jahr vor der Bundestagswahl ein etwas abseitiges Programm für einen CDU-Parteitag wäre, inhaltlich mit Grün zu blinken und die Einheit zu feiern. Der Antrag ist aber auch eine Reaktion auf die Debatten der letzten zwei Wochen, in denen der Wirtschaftsflügel energisch darauf gepocht hat, dass die CDU ihre Kernklientel nicht weiter vernachlässigen dürfe.

Zumindest nebenher dürfe der Antrag auch eine Antwort auf Jürgen Rüttgers werden. Der CDU-Vize hat gerade via „Spiegel“-Gespräch Merkels Reformprogramm des Leipziger CDU-Parteitags zum Irrtum erklärt. Im Ahlener Programm von 1947 fordere die CDU die Verstaatlichung der Schwerindustrie, ätzte der NRW-Ministerpräsident: „Wir sind inzwischen weiter.“ Auch Merkels These, dass die Kernfrage der sozialen Marktwirtschaft heute Bildung sei, mag Rüttgers nicht gelten lassen.

Dass Merkel solche Widerworte nicht gerne hört, darf man getrost unterstellen. Offen oder auch nur halböffentlich sagen würde sie das so schnell nicht. Aber Merkel hat einen subtilen Weg gefunden, sich zu rächen. Pofalla hat nämlich an diesem Montag noch einen zweiten Auftrag der Chefin zu verkünden. Der geht an den Berliner CDU– Fraktionschef. Friedbert Pflüger soll eine Kommission „Große Städte“ leiten. Doch diese Kommission gab es schon mal – damals unter Rüttgers’ Leitung. Fertig wurde sie nie, es gab vor der Wahl 2005 nur einen Zwischenbericht. „Das war ein sehr umfangreiches Papier, wo die Probleme beschrieben worden sind“, sagt Pofalla. Er trägt ein sehr harmloses Gesicht dabei. Auf Deutsch heißt dieser Satz aber so viel wie: Zur Lösung der Probleme der Partei bei städtischen Wählerschichten beigetragen hat der Rüttgers nix. Jetzt soll Pflüger vorführen, wie man das besser macht.

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