zum Hauptinhalt
Der designierte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) geht Reichstag nach der Wahl zum Bundespräsidenten zum Rednerpult.

© dpa

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: Der richtige Präsident für diese Zeiten

Bekenntnisse oder gar Programmatisches gab es von Frank-Walter Steinmeier nach seiner Wahl zunächst nicht zu hören. Doch vielleicht ist genau das jetzt auch richtig. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Antje Sirleschtov

Nicht Heilsbringer, nicht Heilige und schon gar keine Engel wählt die Bundesversammlung ins höchste Staatsamt. Bundespräsidenten, hat Joachim Gauck bei seiner Wahl vor allzu großen Erwartungen an deren Möglichkeiten gewarnt, seien am Ende auch nur Menschen aus der Mitte der Bevölkerung mit ihren jeweiligen Erfahrungen und Tugenden. Ob sie gute Präsidenten sind, ihr Amt ausfüllen, versöhnen, Impulse setzen und sogar über Generationen hinweg prägen – darüber richten nicht nur sie selbst, sondern ganz wesentlich auch die Zeiten, in die Präsidenten hineingewählt werden.

Frank-Walter Steinmeiers Zeiten sind unsichere. Jeder spürt das, und jeder auf seine ganz eigene Weise. Den einen machen die Flüchtlingsströme und der Terror Angst, sie sehnen sich nach Rückzug, Begrenzung und Sicherheit. Wer so denkt, wird von seinem Bundespräsidenten Besonnenheit und Gesten des Zusammenhalts erwarten. Eine Form von Zurückhaltung also, wo es doch in der Welt um uns herum schon genug stürmt und die Gegensätze aufeinanderprallen wie lange nicht mehr.

Anderen wiederum wird das zu wenig sein für den ersten Mann in diesem starken Deutschland mit seiner wachsenden internationalen Verantwortung. Für sie werden zu den Aufgaben des zwölften Bundespräsidenten in erster Linie deutliche Worte an die europäischen Nachbarn, nach Ankara und nach Washington zählen. Mithin Klarheit und Richtung vom Staatsoberhaupt, da es gilt, die Werte der westlichen Demokratien und den Multilateralismus gegen Populisten und Despoten dieser Zeit zu verteidigen.

Kann ein Bundespräsident Steinmeier diese vielfältigen Erwartungen überhaupt erfüllen, die Begrenztheit seines Amtes achten und dessen Möglichkeiten der politischen Einflussnahme gleichzeitig ausloten? Vom Mutmachen hat der Frischgewählte gesprochen, von der Hoffnung auf Veränderung, von Chancen und Risiken. Ja, und auch davon, dass es zu den Tugenden eines guten Präsidenten gehört, Realitäten anzuerkennen. Damit die Erwartungen nicht ins Kraut schießen, die an die eigene Kraft und natürlich vor allem die vielen unterschiedlichen Erwartungen der anderen an ihren Präsidenten. Das zeigt: Mit Steinmeier zieht ins Schloss Bellevue ein politischer Profi ein. Er ist kein Mann des großen Worts, er weiß, welche Erfahrungen er mitbringt, und kennt seine Grenzen. Aber sein Wort gilt.

Stabilität ist womöglich der größte Wert, die die Deutschen einbringen können

Wer mehr erwartet hat, Bekenntnisse, sogar Programmatisches, wird nun wohl fürs Erste enttäuscht sein. Wo doch die Zeiten so unsicher sind, in der Welt, in Europa, im Inneren des Landes, und man gerade jetzt wahlweise Wärmendes, Vereinendes oder Richtunggebendes so dringend benötigt. Doch vielleicht ist es genau das, was diesen Frank-Walter Steinmeier am Ende zum richtigen Präsidenten für diese Zeiten machen kann: der bewusste Verzicht, gleich am ersten Tag, in der ersten Stunde, zu weit hervorzutreten. Damit hat er vermieden, die Lage weiter aufzuheizen. Was Norbert Lammert, dem scheidenden Bundestagspräsidenten, in seiner Deutlichkeit gut anstand – darunter die Kritik am amerikanischen Präsidenten Donald Trump –, drückte das deutsche Staatsoberhaupt so aus, dass er sich und den operativen Politikern den Weg nach Amerika nicht versperrte.

Stabilität ist womöglich der größte Wert, den die Deutschen einbringen können. Wenn es gilt, in den nächsten Jahren eine gute Zukunft für Europa zu finden und den Verunsicherungen von innen und außen zu trotzen, dann werden stabile ökonomische und politische Verhältnisse hierzulande die nötige Sicherheit nach innen und außen gleichermaßen vermitteln. Manche werden den neuen Bundespräsidenten zu wenig charismatisch, vielleicht zu diplomatisch finden; manche beklagen auch, dass ihn eine ungeliebte große Koalition quasi alternativlos ins Amt gehoben hat. Eines ist aber sicher: Stabilität verkörpert Frank-Walter Steinmeier. Das ist schon mal viel wert in diesen stürmischen Zeiten.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Zur Startseite