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Update

Bundespräsident in Bedrängnis: Weihnachtsansprache: Wulff umschifft Kredit-Affäre

Christian Wulff wird sich bei seiner Weihnachtsansprache nicht zu seiner Privatkredit-Affäre äußern. Das ärgert die Opposition, weshalb die SPD nun ihre Angriffe verschärft und Gabriel eine persönliche Erklärung von Wulff fordert.

Bundespräsident Christian Wulff macht den Zusammenhalt in der Gesellschaft und in Europa zum Zentrum seiner diesjährigen Weihnachtsansprache. Dies verlautete am Mittwoch nach der Aufzeichnung der Ansprache aus Teilnehmerkreisen. Zu Vorwürfen gegen seine Person wegen eines Privatkredits nahm das Staatsoberhaupt dabei den Angaben zufolge keine Stellung. An der Aufzeichnung im Schloss Bellevue nahmen etwa 70 Gäste teil.

Dazu gehörten Feuerwehrleute, Einwandererfamilien sowie Mitglieder des deutsch-israelischen Jugendwerkes. Wulff hatte im vergangenen Jahr als erster Bundespräsident die traditionelle Ansprache zu Weihnachten vor Gästen gehalten. Sie wird am Sonntagabend ausgestrahlt.

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat von Bundespräsident Christian Wulff nun eine persönliche Erklärung zu dem umstrittenen Hauskredit gefordert. "Dass nicht er, sondern seine Anwälte kommunizieren, halte ich für unglücklich", sagte der Parteivorsitzende der "Passauer Neuen Presse". Er gehe davon aus, dass der Bundespräsident alle offenen Fragen persönlich beantworte. Zwar könne niemand Wulff Ratschläge geben, wie er mit den Vorwürfen umgehe, sagte Gabriel. "Ich fürchte allerdings, dass die Affäre dazu beiträgt, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in Politik haben." Niemand könne sich wünschen, dass innerhalb von zwei Jahren der zweite Bundespräsident zurücktrete. "Damit würde das Vertrauen in die demokratischen Institutionen schwer beschädigt. Umso wichtiger ist jetzt Aufklärung", forderte der SPD-Chef.

Schon bevor Gabriel eine persönliche erklärung von Wulff verlangt hat, hatte die SPD ihre Angriffe auf Wulff verschärft. Wulffs Taktik erinnere an die Affäre um die abgeschriebene Doktorarbeit des CSU-Politikers Karl-Theodor zu Guttenbergs: „Er gibt immer nur das zu, was man ihm nachweisen kann“, sagte SPD-Innenexperte Sebastian Edathy im Deutschlandfunk. „Erst wird dementiert, dann wird behauptet, es gebe Missverständnisse, dann wird eine Teilentschuldigung vorgenommen.“

Zuvor hatte Wulffs Anwalt Gernot Lehr in einer Stellungnahme bestätigt, dass der Unternehmer Egon Geerkens aufgrund seines besonderen Sachverstands und der freundschaftlichen Beziehungen zu Wulff in dessen Suche nach einem Haus eingebunden gewesen. „In diesem Zusammenhang ging die Initiative für ein Privatdarlehen von Frau Edith Geerkens aus. Die Modalitäten wurden gemeinsam besprochen, das Darlehen von Frau Edith Geerkens gewährt“, schrieb Lehr.

Da war die Welt noch in Ordnung: Eine Aufnahme zeigt den Bundespräsidenten bei seiner Weihnachtsansprache 2010.
Da war die Welt noch in Ordnung: Eine Aufnahme zeigt den Bundespräsidenten bei seiner Weihnachtsansprache 2010.

© dpa

Zudem machte Lehr Angaben zum Umfang von Wulffs umstrittenen Urlauben: Der heutige Bundespräsident habe zwischen 2003 und 2010 insgesamt 89 Tage Urlaub „mit Freunden unter gemeinsamem Dach“ verbracht. Dies teilte Lehr dem Tagesspiegel am Mittwochabend mit. In Spanien waren es 2003 und 2004 22 und 15 Tage. In Italien 2008 sieben Tage. Auf Norderney 2008 und 2009 waren es zwölf und 19 Tage. Zum Jahreswechsel 2009/2010 in den USA waren es 14 Tage.

Aus der Koalition kommen Rufe nach einem Ende der Debatte. Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte, bei der Kritik an Wulff gehe es eher um Stilfragen.

Wulff hatte bislang nicht Stellung zu der Frage genommen, inwieweit Egon Geerkens in Verhandlungen involviert war. Dieser hatte aber im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ seine Beteiligung deutlich gemacht.

Wulff und seine Verbindung zu AWD-Gründer Carsten Maschmeyer

Als der damalige Bundespräsident Johannes Rau im Jahr 2000 in eine Flugaffäre der WestLB verstrickt war, habe Wulff ihn zum Rücktritt aufgefordert, sagte der bayerische SPD-Vorsitzende Florian Pronold der "Passauer Neue Presse". „Er muss sich auch fragen lassen, welche Maßstäbe er an sich selber anlegt“, sagte Pronold.

Nach dem Wirbel um einen 500 000-Euro-Kredit und Ferien bei vermögenden Freunden wurde jetzt bekannt, dass der Unternehmer Carsten Maschmeyer mitten im niedersächsischen Landtagswahlkampf 2007/2008 eine Anzeigen-Kampagne für ein Wulff-Buch bezahlt hat. Dieser soll aber von den Zahlungen nichts gewusst haben.

Am Dienstag befasste sich der Ältestenrat des Landtags in Hannover mit den Vorwürfen gegen Wulff - und brach die Sitzung nach kurzer Zeit im Streit ab. Bei der Staatsanwaltschaft Hannover gingen inzwischen vier Anzeigen gegen den früheren Ministerpräsidenten ein. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bleibt bei ihrer Unterstützung für das Staatsoberhaupt.

In dem Interview-Buch mit dem Titel „Besser die Wahrheit“ beschreibt der heutige Bundespräsident sein privates und politisches Leben. Ein Sprecher Maschmeyers bestätigte einen Bericht der „Bild“-Zeitung, wonach der Finanzunternehmer rund 42 700 Euro für Zeitungsannoncen gezahlt hat, die im Herbst 2007 während des Landtagswahlkampfs für das Buch geschaltet wurden.

Maschmeyer sagte der „Bild“-Zeitung, er habe „die Anzeigen privat bezahlt“, sie jedoch nicht steuerlich geltend gemacht. Mit Wulff habe er darüber nicht gesprochen. Wulffs Rechtsanwalt Gernot Lehr sagte dem Blatt, seinem Mandanten sei von den Zahlungen Maschmeyers nichts bekannt gewesen. Der Hamburger Verlag Hoffmann und Campe bestätigte, dass Maschmeyer die Kampagne mitfinanziert hatte, Ex-Geschäftsführer Manfred Bissinger habe den Unternehmer persönlich darum gebeten.

Das Autorenhonorar für den Gesprächsband ging laut Verlag allein an den Autor Hugo Müller-Vogg, der damalige Ministerpräsident habe kein Honorar erhalten. Müller-Vogg selbst hält die von Maschmeyer bezahlten Anzeigen für problematisch. „Ich kann nicht ausschließen, dass ein Verstoß gegen die Vorschriften zur Parteienfinanzierung vorliegt“, sagte der Publizist dem „Mannheimer Morgen“ (Mittwoch). Wulff habe zwar keinen finanziellen Vorteil von dem Buch gehabt - „doch er profitierte selbstverständlich vom medialen Echo“.

Am Sonntag ließ der Bundespräsident auch eine Liste von Urlauben veröffentlichen. Demnach verbrachte er als Regierungschef zwischen 2003 und 2010 insgesamt sechs Urlaube bei Freunden in Spanien, Italien, Florida und auf Norderney.

Der Kölner Kardinal Joachim Meisner legte Wulff am Dienstagabend indirekt den Rücktritt nahe. Im WDR-Fernsehen sagte Meisner, wenn er selbst in einer vergleichbaren Lage wäre, „dann müsste ich meinen Hirtenstab abgeben, dann müsste ich resignieren“. An Wulffs Stelle würde er nun erklären: „Ich bin ein armer Sünder, habe versagt.“ Meisner fügte jedoch hinzu, er könne nicht beurteilen, ob die Vorwürfe zuträfen.

Diese beschäftigen nun auch die Justiz. „Die Staatsanwaltschaft hat vier Anzeigen vorliegen, die überprüft werden“, sagte der Sprecher der Behörde in Hannover, Jürgen Lendeckel, der Nachrichtenagentur dpa. In den Anzeigen geht es den „Stuttgarter Nachrichten“ zufolge vermutlich um den Vorwurf der Vorteilsannahme. Die Staatsanwaltschaft muss jede Anzeige prüfen, die bei ihr eingeht.

Ein Großteil der Deutschen ist einer Umfrage zufolge trotz der Vorwürfe gegen einen Rücktritt des Bundespräsidenten. Nach dem am Montag erhobenen ARD-Deutschlandtrend plädieren 70 Prozent dafür, dass Wulff weiter im Amt bleiben soll. Nach einer Emnid-Umfrage für SAT.1 sind sogar 72 Prozent gegen einen Rücktritt.

Regierungssprecher Steffen Seibert bekräftigte, Wulff genieße weiter Merkels „vollstes Vertrauen“. Die Kanzlerin und Wulff stünden „in sehr regelmäßigem und intensivem Kontakt zu einer Vielzahl von Fragen“. Auch für neu auftauchende Fragen gelte, dass sie an den Bundespräsidenten zu richten seien. „Sie werden von ihm persönlich aufgeklärt.“ Die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast forderte von Wulff Aufklärung.

Der lasse zu, dass das Bundespräsidialamt quasi umgeben sei von einem Amigo-System, dem „System Hannover“, sagte Künast. „Er muss das System Hannover aufklären, sagen, was war, und sich entschuldigen.“ Die Finanzierung von Zeitungsanzeigen rieche nach einer trickreichen Umgehung des Parteispendenrechts. Ab 10.000 Euro müssten Spender genannt werden. (dpa/dapd/Reuters)

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