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Schlechte Stimmung: Bundespräsident Joachim Gauck und der türkische Premier Erdogan.

© reuters

Bundespräsident in der Türkei: Erdogan beschimpft "Pastor Gauck"

Zwischen dem Bundespräsidenten und dem türkischen Premier kracht es heftig. Joachim Gauck kritisiert Defizite bei der Meinungsfreiheit in der Türkei. Erdogan ätzt zurück: „Behalt deine Ratschläge doch für dich":

Beim Staatsbesuch von Bundespräsident Joachim Gauck in der Türkei ist es zu einem heftigen Schlagabtausch mit Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan gekommen. Erdogan warf Gauck wegen dessen Kritik an rechtsstaatlichen Mängeln in der Türkei eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten seines Landes vor. „Er hält sich wohl immer noch für einen Pastor“, sagte Erdogan am Dienstag über den 74-jährigen Bundespräsidenten und früheren Geistlichen. Gauck erwiderte, er habe lediglich Fragen gestellt.

In Ankara hatte Gauck am Montag öffentlich den Regierungsstil Erdogans kritisiert und von Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit sowie Bedrohungen für die Unabhängigkeit der Justiz in der Türkei gesprochen. Erdogans Regierung hatte in den vergangenen Monaten als Reaktion auf Korruptionsvorwürfe unter anderem das Internet- und das Geheimdienstgesetz ändern und tausende Polizisten sowie viele Staatsanwälte versetzen lassen. Die Internetdienste Twitter und YouTube wurden gesperrt; nur Twitter ist inzwischen wieder freigegeben.

Erdogan: Gaucks Äußerungen eines "Staatsmannes nicht angemessen"

Erdogan rechtfertigt die Maßnahmen mit der Notwendigkeit, gegen „parallele Strukturen“ von Regierungsgegnern im Staatsapparat vorgehen zu müssen. Der Kurs des Regierungschefs stößt in der EU, aber auch in der Türkei selbst auf viel Kritik. So hatte Verfassungsgerichtspräsident Hasim Kilic erst vergangene Woche die Regierung verwarnt und erklärt, die Justiz sei kein Befehlsempfänger der Politik.

Gauck griff mit seinen Äußerungen in Ankara diese kritischen Ansichten auf, die auch von Gewerkschaften und Oppositionsparteien formuliert werden. Erdogan erwiderte am Dienstag jedoch, er verbitte sich Lektionen des deutschen Staatsoberhaupts: „Behalt deine Ratschläge doch für dich.“ In Deutschland würden Türken von Rechtsextremisten ermordet, ohne dass jemand dafür bestraft werde, sagte Erdogan. Gauck habe in Ankara „merkwürdige Dinge“ gesagt. In der Türkei seien die Grundrechte für jeden garantiert, der die Rechte anderer Menschen nicht verletze. Gaucks Äußerungen seien einem „Staatsmann nicht angemessen“ gewesen.

Weber: „Erdogans Stil und sein Nachtreten gegen den Bundespräsidenten ist inakzeptabel"

Der Bundespräsident besuchte am Dienstag Istanbul, die letzte Station der viertägigen Türkei-Reise. Mit Staatspräsident Abdullah Gül eröffnete Gauck die seit 2008 geplante Türkisch-Deutsche Universität; zudem traf er sich mit Vertretern der türkischen Zivilgesellschaft. Zu Erdogans Verärgerung über seine Äußerungen sagte Gauck, er habe nur Dinge gesagt, die man unter Freunden sagen könne. Er wolle der Türkei ein Signal von „Freundschaft und Respekt“ schicken, sagte Gauck mit Blick auf die Aufnahme von fast einer Million Bürgerkriegsflüchtlinge durch das Nato-Land. Am Montag hatte Gauck Erdogans Beileidsäußerung zum Jahrestag des Völkermords an den Armeniern als wichtigen Schritt gewürdigt.

Zu Erdogans Kritik an Gauck sagte der stellvertretende EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU): „Erdogans Stil und sein Nachtreten gegen den Bundespräsidenten ist inakzeptabel. Er führt sein Land damit immer weiter von Europa weg.“

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