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Politik: Bundespräsident operiert: Johannes Rau will sich richtig erholen

Über dem Schloss Bellevue weht immer dann die deutsche Fahne, wenn der Bundespräsident in Berlin ist. Gegenwärtig ist sie nicht aufgezogen, und das hat seinen Grund darin, dass Johannes Rau außerhalb der Hauptstadt die Folgen seiner Operation auskuriert.

Über dem Schloss Bellevue weht immer dann die deutsche Fahne, wenn der Bundespräsident in Berlin ist. Gegenwärtig ist sie nicht aufgezogen, und das hat seinen Grund darin, dass Johannes Rau außerhalb der Hauptstadt die Folgen seiner Operation auskuriert. Gründlich und vorsichtig und damit der Schwere des Eingriffs angemessen, wie es sich die behandelnden Ärzte nach dem "erheblichen" Eingriff gewünscht haben. Sein Gesundheitszustand sei "nicht beängstigend", sagte am Montag eine Sprecherin des Präsidialamts.

Rau hat die Öffentlichkeit lange nicht davon in Kenntnis setzen mögen, dass er sich operieren lassen werde. Privates soll auch privat bleiben, das wünscht er sich, und schon gar nicht bedarf alles der Diskussion. Der Bundespräsident wählte denn auch Ende Juni nur die Form der Andeutung, als er über die vor ihm liegende Zeit mit seinem Urlaub auf Spiekeroog und einem Staatsbesuch in der Ferne, in Australien und Ozeanien, sprach. Dann kam dieser Satz: "Und dazwischen bleibt viel Zeit für Dinge, zu denen man sonst nicht kommt ..."

Der Bundespräsident hatte sich nach langem Zögern die Zeit für die Operation genommen. Anlass für den Eingriff war ein so genanntes Aneurysma: In einer Aussackung der Bauchschlagader hatte sich so viel Blut gesammelt, dass das Gefäß hätte platzen können - mit lebensbedrohenden Folgen. Die Operation am 23. Juli in Essen verlief gut, der Arzt Christoph Broelsch, der Rau schon einige Male behandelt hat, ist zufrieden. Nun aber hat Broelsch offenbar gemahnt, und Rau hat sich überzeugen lassen, wie seine Sprecherin sagt. Der Bundespräsident nimmt sich noch einmal Zeit: um sich richtig zu erholen.

Das allerdings weckt wieder Erinnerungen. Rau hatte die Operation, das ist bei aller Zurückhaltung doch inzwischen auch bekannt geworden, fünf Jahre lang hinausgeschoben. Als er sich auf die Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten vorbereitete, war der Eingriff nicht möglich. Ohnehin hatte sich Rau schon vor dieser Zeit - und seitdem immer wieder - mit Stimmen auseinanderzusetzen, die ihn gesundheitlich nicht für genügend belastbar halten, das Präsidentenamt auszufüllen.

Diese Stimmen waren in den letzten Monaten nicht mehr zu hören. Das hängt auch damit zusammen, dass Rau, der sich im Amt erst einmal orientieren wollte, ein Thema gefunden hat - sein Thema: Das Zusammenleben in Deutschland, die Integration von Ausländern, getreu seinem politischen und Lebensmotto "Versöhnen statt spalten". Rau gab seither die Impulse und hielt die öffentlichen Reden, die von ihm als dem Präsidenten von Anfang an erhofft worden waren.

Vorläufig wird sich der Bundespräsident mit solchen Auftritten zurückhalten. Er ist präsent, aber nicht ständig zu sehen. Er schreibt, wie jetzt an Russlands Präsidenten Putin, wegen des Unglücks der "Kursk", und verfasst auch seine bald legendären Briefe zu freudigen Anlässen. Seine geplante Reise ans andere Ende der Welt hat er abgesagt, im September wird er auch andere öffentliche Termine nicht wahrnehmen. Die Amtsgeschäfte des Präsidenten führt dennoch nicht mehr der Bundesratspräsident Kurt Biedenkopf, sondern wieder Johannes Rau: von seinem Schreibtisch auf der Insel Spiekeroog aus. Dort muss jetzt auch, streng genommen, die Fahne wehen.

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