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Bundespräsident: Was die Wahl über die Linke aussagt

SPD und Grüne werfen der Linkspartei vor, einen Bundespräsidenten Gauck verhindert zu haben. Auch in den eigenen Reihen gibt es Diskussionen über den Kurs. Wie geht es mit der Linken weiter?

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Die fast schon historische Begegnung während der Bundesversammlung war kein Zeichen einer neuen Entspannungspolitik: Erstmals seit seinem Rückzug als SPD-Chef und Bundesfinanzminister 1999 traf sich der ehemalige Linken-Chef Oskar Lafontaine mit der SPD-Führung, und das im Büro von Agenda-2010-Architekt Frank-Walter Steinmeier im Reichstagsgebäude. Obwohl SPD-Chef Sigmar Gabriel in dieser gemeinsamen Runde mit den Grünen die Linkspartei ermunterte, mit der Wahl von Joachim Gauck ein „rot-rot-grünes Signal“ zu setzen, verweigerte sich die Linke – die eigene Kandidatin Luc Jochimsen verzichtete zwar, doch fast alle Wahlleute enthielten sich. Das Verhältnis zwischen Rot-Grün und der Linken ist auf einem Tiefpunkt angekommen.

Welche Konflikte gibt es in der Linken nach der Bundespräsidentenwahl?

Glücklich mit dem Verlauf der Bundesversammlung ist kaum jemand in der Linken. Nach dem ersten Jubel darüber, dass Jochimsen im ersten Wahlgang zwei Stimmen mehr bekommen hatte, als es Wahlleute der Linken gab, und Schwarz-Gelb einen Denkzettel verpasst bekommen hat, kam Ratlosigkeit auf. Mit einem zweiten oder gar dritten Wahlgang hatte in der Parteiführung niemand gerechnet – für dieses Szenario hatte auch Fraktionschef Gregor Gysi keinen Plan. Die Manöverkritik bezieht sich nicht nur darauf, dass die Linke ihre Vorbehalte gegen Gauck schlecht verständlich machen konnte. Fehler seien unmittelbar nach dem Rückzug von Horst Köhler gemacht worden, sagt der frühere Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch. Zwischen SPD, Grünen und Linken hätte gleich geredet werden müssen.

Hinzu kommt mächtiger Ärger über die scharfe Wortwahl, mit der Bedenken gegen Gauck vorgetragen wurden. Diese Kritik richtet sich gegen Lafontaine, der Gauck vorgehalten hatte, als protestantischer Pfarrer von der Staatssicherheit „auch Privilegien erhalten zu haben“ – und damit wieder das Vorurteil bediente, die Linke habe keine Distanz zum SED-Regime. Doch Lafontaine ließ nicht locker: Ihm sei ein „berechenbarer Konservativer“ lieber als ein „unberechenbarer“ Reaktionär, mahnte er seine Genossen vor dem ersten Wahlgang.

Droht ein Auseinanderbrechen der Partei?

Vergnügt übermittelte ein ostdeutscher SPD-Spitzenfunktionär nach der Bundesversammlung den Linken die Einschätzung, dass drei Erfolge zusammengekommen seien: Rot-Grün habe einen Keil in die Koalition getrieben, dazu einen weiteren in die Linke. Und: Gauck sei nicht gewählt worden. Vor allem die Pragmatiker in der Linkspartei konnten über diese Analyse gar nicht lachen: Sie geraten innerparteilich immer mehr unter Druck.

„Das Problem der SPD ist, dass sie sich nicht eindeutig für das große linke Lager entscheiden will“, sagt Helmut Holter, Linksfraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern. Gestärkt werden derweil jene, die der SPD nicht trauen und das politische Heil in einer Radikalisierung suchen. Froh ist man, dass die Wahlleute in allen Wahlgängen geschlossen abstimmten.

Muss die Linke jetzt ihre SED-Vergangenheit aufarbeiten?

Mit der Nominierung von Gauck haben SPD und die Grünen einen wunden Punkt der Linken offengelegt. Am Rande der Bundesversammlung ätzte der Grünen-Politiker Werner Schulz gegen Gysi: „Buh! Die Linke hat versagt“, rief er. „Ihr hättet über euren SED-Schatten springen können.“ Gysi gab zurück, SPD und Grüne seien nicht in der Lage gewesen, bei der Linken anzurufen und hätten „dann verlangt, rennt hinterher“. Einer der jüngeren Ost-Linken aber analysiert: „Nach außen können wir nicht erklären, warum wir Gauck nicht wählen. Aber nach innen hätten wir nie erklären können, warum wir Gauck wählen.“

Auch der frühere Europaabgeordnete André Brie gibt zu, dass vor allem die Linken-Basis nicht bereit sei, die Kritik Gaucks am untergegangenen Staatssozialismus aufzunehmen. Die Forderung führender Linker nach lückenloser Aufklärung aller SED- und Stasiverbrechen wirkt wie ein Lippenbekenntnis, wenn gleichzeitig in der Bundesversammlung die Furcht umgeht, wonach viele Anhänger im Osten mit einem Votum für Gauck vor den Kopf gestoßen worden wären.

Wie geht es weiter zwischen Rot-Grün und der Linken?

Am Abend der Bundesversammlung fand in Berlin-Mitte das erste rot-grün-rote Sommerfest statt. Eine Gruppe jüngerer Abgeordneter aus allen drei Parteien hatte eingeladen – der in Anspielung auf die linke Regierung in Norwegen Oslo- Gruppe genannte Zirkel kann sich ein Linksbündnis 2013 auch im Bund vorstellen. Doch die Feierrunde wirkte zerknirscht, weil die Parteioberen offenbar nicht so weit sind. Die fehlende Abstimmung von SPD, Grünen und Linken in der Präsidentenfrage ist nach den gescheiterten Koalitionsgesprächen in Nordrhein- Westfalen der zweite Tiefschlag. Die Aussichten für neue Linksbündnisse auf Landesebene sind gering.

Das rot-grüne Zusammenspiel um die Bundesversammlung, bei dem die Linkspartei in eine Außenseiterrolle gedrängt wurde, hat die Euphorie für neue Kooperationen oder gar ein Bündnis im Bund mächtig gedämpft. Auch die Einladung an die Linken-Spitze in Steinmeiers Arbeitszimmer kam nur an als weiterer Versuch, vorgeführt zu werden. „Wenn man ernsthaft Rot-Rot-Grün will, geht man bei so einer Geschichte anders vor“, sagt ein Vertrauter Lafontaines. Zugleich gilt die Einschätzung eines Spitzenmannes aus dem Reformerflügel: „Wenn sich die Linke nicht von Lafontaine emanzipiert, dann wird es nie was mit Rot-Rot-Grün.“ Lafontaine selbst schimpft, SPD und Grüne hätten sich „vertaktiert“, schließlich hätte man sich ja auch auf einen gemeinsamen rot-rot-grünen Kandidaten verständigen können, etwa den früheren Bundesumweltminister Klaus Töpfer. Auch den Brandenburger Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD), der ebenfalls in der rot-rot-grünen Runde saß, soll Lafontaine als Kandidaten vorgeschlagen haben. Beides hat die SPD abgelehnt. Und: Mit Töpfers Haltung zu Afghanistan wäre die Linke ähnlich wie bei Gauck auch in Konflikt gekommen. Genauso bei Platzeck, der zudem die Agenda-Politik stark verteidigt. Vertaktiert hat sich also wohl eher die Linke.

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