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Machen Sie das, Herr Hundstorfer. Bundeskanzler Werner Faymann (r., SPÖ) unterstützt die Kandidatur seines Parteikollegens Rudolf Hundstorfer für das österreichische Bundespräsidentenamt.

© Reuters

Bundespräsidentenwahl in Österreich: Keine Angst vor schrillen Tönen

Österreichs Parteien bekämpfen sich vor der Wahl des Bundespräsidenten. Der angeschlagene SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann ist unter Druck geraten.

Drei Monate vor der Wahl des neuen Bundespräsidenten haben die meisten Parteien in Österreich einen Kandidaten benannt. Nur die rechtsnationale FPÖ überlegt noch, wen sie ins Rennen um die Hofburg, den Amtssitz des Präsidenten, schickt. Die echte Überraschung lieferte aber die konservative ÖVP: Erwin Pröll, Landeshauptmann (Ministerpräsident) von Niederösterreich, ihr bester Wahlkämpfer und seit Langem mächtigster Politiker, zog sich im allerletzten Moment zurück, wohl vor allem aus Angst vor Machtverlust, aber auch wegen seines skandalträchtigen Privatlebens, wie immer wieder kolportiert wird. Das höchste Amt im Staate bietet auch in Österreich Protokoll und Prestige, aber kaum Macht und Budget. Mit Pröll ist nun der einzige Umfragen-Favorit aus dem Rennen für die Nachfolge von Heinz Fischer von der SPÖ, der nicht mehr kandidieren darf. Das Rennen ist damit wieder völlig offen.

Die ÖVP nominierte eine Notlösung

Als Notlösung sprang der Älteste aus der ÖVP-Spitze ein: Andreas Khol, 74, Chef ihres „Seniorenbundes“. Der Ex-Professor für Verfassungsrecht war einst einer der Architekten und parlamentarischer Einpeitscher von Wolfgang Schüssels Koalition mit der FPÖ Jörg Haiders. Deren Stigmatisierung, kräftig unterstützt von SPD-Kanzler Schröders initiierten EU-„Sanktionen“, scheint zwar heute noch deplatzierter als damals. Sie dürfte aber auch jetzt wieder das Hauptargument von Khols Gegnern werden. Dafür könnte der betont joviale Intellektuelle aus Tirol mehr Zuspruch von Heinz Straches FPÖ bekommen, zumindest im zweiten Wahlgang. Strache hat zwar nun doch die Aufstellung eines eigenen Kandidaten angekündigt. Käme der in den zweiten Wahlgang, wäre er aber wohl isoliert: Die Wien-Wahl im Herbst hat der FPÖ ihre Grenzen gezeigt.

Die SPÖ nominierte am Freitag formell ihren Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer, 64, einen Ex-Chef des Gewerkschaftsbundes. Er gilt als bürgernah: Seine Bestellung war quälend lang, obwohl der ÖGB schon früh klar gemacht hatte, dass er vom angeschlagenen SPÖ-Chef und Kanzler Werner Faymann diesen Preis dafür verlangt, dass er ihn noch unterstützt. Die innerparteiliche ÖGB-Hilfe ist auch Grund für Faymanns Blockade der von der ÖVP geforderten wirtschaftsnahen Reformprojekte. Dabei braucht Österreich Reformen. Nicht nur die von Hundstorfer formell mitzuverantwortende Arbeitslosigkeit ist mit 10,5 Prozent die höchste seit 1945.

Auch deshalb hat Alexander Van der Bellen, 72, mehr als nur Außenseiterchancen. Der kettenrauchende Grüne aus Tirol hat nach ebenfalls langen Spekulationen nun seine Kandidatur fixiert. Der Ex-Professor für Volkswirtschaft gibt als langjährige Galionsfigur der Grünen den Pragmatiker. Punktgenau legte er nun eine scheinbar liberale Autobiographie vor und heiratete seine langjährige Lebensgefährtin, um noch weiter ins linksliberale Bürgertum hinein wählbar zu werden.

Der nun erwartete Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz-Blau spiegelt die Situation in der schwer zerstrittenen Koalition. Faymann gilt nicht nur bei der rigoros einwanderungskritischen FPÖ als hilfloser Nacheiferer von Kanzlerin Merkel. So versickern derzeit zahlreiche von Bayern neuerdings abgewiesene Migranten unkontrolliert in Österreich. Strache nennt Faymann deshalb gar einen „Staatsfeind“.

Obwohl nur eine Persönlichkeitswahl, wird sich im April doch zeigen, ob die Österreicher Faymanns Koalition satt haben – auch um den Preis eines neuen schwarz-blauen Experiments mit viel schrilleren Tönen.

Reinhard Frauscher

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