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Presseandrang beim Parteivorsitzenden Sebastian Nerz.

© Reuters

Bundespressekonferenz: Piraten wollen mit Schwarmintelligenz in den Bundestag

Die Piratenpartei glaubt an einen Einzug in den nächsten Bundestag und will das Urheberrecht nur moderat modernisieren. Bundespräsident Wulff fordern die Piraten zum Rücktritt auf.

Antworten auf alle wichtigen politischen Fragen der Zeit haben die Piraten zwar immer noch nicht, doch in der Causa Wulff gibt es nun eine offizielle Parteilinie. „Bundespräsident Wulff sollte sein Amt niederlegen, die Vorwürfe der Vorteilsnahme haben sich in Teilen als begründet erwiesen“, sagte der stellvertretende Vorsitzende Bernd Schlömer am Dienstag. Dabei sei es nicht entscheidend, ob das Tonband von Wulffs Anruf bei Bild-Chefredakteur Kai Diekmann veröffentlicht werde, dadurch gebe es „keinen Mehrwert, es geht hier nicht um Skandal-Sightseeing“, fügte die Politische Geschäftsführerin Marina Weisband hinzu.

Bei der Vorstellung strategischer Grundlinien für 2012 und das Wahljahr 2013 verweigerte der Bundesvorsitzende Sebastian Nerz erneut Antworten zur Eurokrise, weil es dafür keinen Parteibeschluss gebe. Außerdem würden die anderen Parteien zwar ihre Ansichten preisgeben, jedoch keine effektiven Rezepte bieten. „Wir sollten Angst haben vor einfachen Lösungen“, erklärte Weisband, „Basisdemokratie mit über 18.000 Mitgliedern dauert eben seine Zeit“.

Die Piraten äußerten sich zuversichtlich, nicht nur 2013 in den nächsten Bundestag einzuziehen, sondern auch bei der einzigen Landtagswahl in diesem Jahr in Schleswig-Holstein die 5-Prozent-Hürde zu schaffen, wo die Piraten mittlerweile über 650 Mitglieder verfügen. Torge Schmidt, Spitzenkandidat im Norden, will den Grundsatz der Datensparsamkeit in der Landesverfassung festschreiben, neue IT-Arbeitsplätze schaffen und Bürgerentscheide stärken – das planen die Piraten auch auf Bundesebene.

Auf Nachfrage bezifferte Schmidt die Schulden des Bundeslandes auf 27,6 Milliarden Euro, „es sind also viele, viele Millionen“, fügte er scherzend hinzu. Der Berliner Spitzenkandidat Andreas Baum hatte sich im Wahlkampf 2011 blamiert, als er eine Frage nach dem Schuldenstand der Hauptstadt mit dieser Antwort versehen hatte. Nun will die erst vor fünf Jahren gegründete Partei professioneller werden – und mit mehr Realismus den Anschluss an die politische Landschaft schaffen.

So soll es beim Kernthema Urheberrecht keine Revolution, sondern lediglich Modernisierungen geben. Werke verstorbener Autoren sollen bereits nach zehn, statt nach 70 Jahren frei verfügbar werden, Urheber bekämen mit der Reform mehr Mitsprache, auch nachdem sie die Rechte an einem Werk abgegeben haben, sollen sie bei der Verwertung mitreden dürfen. Nicht-kommerzielle Tauschbörsen im Netz sollen „nicht mehr kriminalisiert werden“, sagte Weisband, „wir gehen da pragmatisch vor, jemand der im Internet klauen will, wird es ohnehin weiter tun“. Die neue Basis für ein verändertes Verständnis von Urheberschaft soll nach Meinung der Piraten ein runder Tisch erarbeiten, bei dem Urheber, Verwerter und Nutzer zusammenkommen.

Der weitere Aufstieg der ehemals nur als Netzaktivisten wahrgenommenen Partei soll also von pragmatischen Ansichten getragen werden, ihr System der Dezentralisierung wollen die Piraten dabei behalten, so werde es für die Wahl 2013 keine Bundes-, sondern ausschließlich Landeslisten geben, auch Parteitage werden dezentral abgehalten, damit eine „breite Masse“ beteiligt werden kann, wie Nerz betonte. Die von den Piraten beschworene Schwarmintelligenz soll dem neuen Pragmatismus also keinesfalls zum Opfer fallen.

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