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Der Bundesrat hat jetzt eine SPD-geführte Mehrheit.

© Bundesrat

Bundesrat: Gefährliche Mehrheit

Der Bundesrat hat von diesem Freitag an eine SPD-geführte Oppositionsmehrheit. Rot-Grün will das im Wahlkampf nutzen. Aber Blockade kann eine zweischneidige Sache sein.

Berlin - Der wichtigste Landespolitiker der SPD heißt derzeit Thomas Oppermann. Der ist zwar Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion im Bundestag und sitzt gar nicht im Bundesrat. Aber was in der Länderkammer los sein soll, wenn dort von diesem Freitag an eine SPD-geführte Oppositionsmehrheit bestimmt, das hat er schon ausbaldowert. Diese Mehrheit muss genutzt werden im Wahlkampf, weil sie signalisiert: Die Mehrheiten in Deutschland haben sich verändert, Schwarz-Gelb ist (zumindest in den Ländern) ein Auslaufmodell und regiert nur noch in Bayern, Hessen und Sachsen. Rot-Grün dagegen ist wieder im Kommen. Und in Wiesbaden könnte am 22. September, zeitgleich mit der Bundestagswahl, auch ein Wechsel zu Rot-Grün stattfinden. Gesetzt den Fall, dass das auch im Bund gelingt, wäre aus sozialdemokratisch-grüner Sicht ein paradiesischer Zustand erreicht. Rot-Grün hätte dann eine eigene Mehrheit im Bundesrat bis mindestens ins Frühjahr 2015, könnte also „durchregieren“ (und sich auch eine Stolperphase zu Beginn leisten wie bisher noch jede Bundesregierung).

Kein Wunder, dass Oppermann ob dieser Aussicht irgendwie glückstrunken wirkt in diesen Tagen und die echten Landespolitiker der SPD ein wenig über ihn schmunzeln. Er hat genau getaktet, was nun kommen soll: An diesem Freitag wird die neue Mehrheit einen Gesetzentwurf zum Mindestlohn einbringen, ein Antrag zur Gleichstellung von Lebenspartnerschaften im Steuerrecht kommt hinzu, um die Geschlossenheit der Koalition zu testen (zumal die zunehmend bröckelt). Beim Mindestlohn hilft es der Opposition, dass die großen Koalitionen im Saarland – unter CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer – und Mecklenburg-Vorpommern mitmachen, bei den Lebenspartnerschaften ist die Berliner große Koalition mit im Oppositionsboot.

Für den 22. März hat Oppermann dem Bundesrat einen Antrag zur Abschaffung des Betreuungsgeldes auf die Tagesordnung gesetzt. Und am 3. Mai soll es einen Beschluss geben, dass Banken, die bei Steuerbetrug helfen, die Lizenz verlieren können. Alles sattsam bekannte SPD-Positionen, doch das „Ereignis Bundesrat“ (sonst in der Bundes-SPD nicht sonderlich geschätzt) soll dazu dienen, sie nochmals unter die Leute zu bringen. Der Julitermin ist noch offen für einen weiteren Hieb gegen die Regierung Merkel, und am 20. September, zwei Tage vor der Bundestagswahl, soll die – dann vermutlich weitgehend themenfreie – Bundesratssitzung zu einer „Bilanzkonferenz für vier verlorene Jahre Schwarz-Gelb“ (Oppermann) werden.

Zum Wahlkampfmodus, in den SPD und Grüne den Bundesrat nun versetzt haben, gehört auch, dass sich Hessen und das rot-grüne Rheinland-Pfalz bei der ursprünglich gemeinsam vorbereiteten Bekämpfung von Fluglärm entzweit haben und nun über getrennte Vorstöße das ungefähr gleiche Ergebnis anstreben.

Allerdings wollen die Oppositionsparteien mit dem politischen Kampfbegriff „Blockade“ nicht in Verbindung kommen. „Wir blockieren nicht, wir nutzen den Bundesrat und die Möglichkeiten des Grundgesetzes konstruktiv“, sagt die Mainzer Bundesratsministerin Margit Conrad (SPD). Denn Blockade gilt als hässliches Wort, das auf den Verursacher zurückfallen kann. Dazu kommt, dass sich Landespolitiker nicht gerne dauerhaft an die bundespolitischen Zügel nehmen lassen. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sagte mit Blick auf die neue Mehrheit schon, da werde sich vielleicht gar nicht so viel ändern, denn die Länder hätten eben ihre eigenen Agenden. Es werde so bunt bleiben wie bisher, meinte Kraft, und das ging natürlich auch in Richtung der neuen Länderkoordinatoren im Bundestag. Auch enden Mehrheitsbeschlüsse des Bundesrats im letztlich doch entscheidenden Bundestag gern in der „Ablage P“ – haben also wenig Wirkung. „Wir machen uns keine Illusionen“, sagt daher die nordrhein-westfälische Bundesratsministerin Angelika Schwall-Düren (SPD) zu den eigenen Vorstößen.

Rot-Grün muss zudem damit rechnen, in den restlichen Sitzungen bis zur Wahl dazu gezwungen zu werden, Entwürfe der Bundesregierung abzulehnen, die ebenfalls auf den Wahlkampf zielen. Etwa in der Energiepolitik, die zu einem Kernthema werden könnte. Bei der Debatte um den Strompreis war das schon zu sehen, hier haben sich SPD und Grüne schnell entzweit, während Union und FDP den Schulterschluss und die Nähe zum Verbraucher suchten. An diesem Freitag wird Schwarz- Gelb zu diesem Zweck auch einen Entwurf zur Erweiterung der Riester-Rente nutzen, bei der es um eine bessere Förderung von Wohneigentum geht. Rot-Grün will den Vermittlungsausschuss anrufen. Für Bayerns Bundesratsministerin Emilia Müller (CSU) ist das ein Beispiel dafür, dass Rot-Grün kein Interesse an Entlastungen der mittleren Einkommen habe: SPD und Grüne betrieben eine „Blockade gegenüber unseren Bürgern, Arbeitnehmern und Unternehmen“.

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