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Bundestag: An ihrem Platz

Der Bundestag konstituiert sich am heutigen Dienstag. Wie ist das neue Parlament zusammengesetzt?

Vier Wochen nach der Bundestagswahl wird im Regierungsviertel kräftig umgebaut und gewerkelt. Die Neuen kommen. Doch nicht nur diese 200 Abgeordneten beziehen Büros und stellen Mitarbeiter ein. Auch für viele der 422 altgedienten Parlamentarier beginnt die 17. Legislaturperiode mit einem Umzug. Sämtliche Ausschüsse inklusive ihrer Vorsitze werden in den kommenden Tagen ebenfalls neu besetzt.

WAS STEHT NUN AN?

Gesetze beschließen, die vornehmste Pflicht des Parlamentes, jedenfalls noch lange nicht. Ohnehin besteht der Koalitionsvertrag aus unzähligen Prüfaufträgen und Kann-Bestimmungen. Bis die in Gesetzestexte gegossen werden, wird noch viel Zeit ins Land gehen. Erst einmal konstituiert sich das Parlament. Der älteste anwesende Abgeordnete, der Alterspräsident, wird die Sitzung mit einer Ansprache eröffnen (siehe Kasten), dann erklärt sich das Parlament für beschlussfähig – und schreitet zur Wahl. Zunächst wählt es den Präsidenten und seine fünf Stellvertreter. Nominiert sind Amtsinhaber Norbert Lammert (CDU), der trotz einiger Mäkeleien an seiner Amtsführung von Seiten der SPD mit einem guten Ergebnis rechnen kann. Erwartet wird, dass auch die amtierenden Stellvertreter Wolfgang Thierse (SPD), Gerda Hasselfeldt (CSU), Hermann Otto Solms (FDP), Petra Pau (Die Linke) und Katrin Göring- Eckardt (Grüne) bestätigt werden. Nur die fränkische SPD-Politikerin Susanne Kastner hat es nicht geschafft – das Parlamentspräsidium wird um einen Sitz verkleinert, nicht zuletzt wegen des schlechten Wahlergebnisses der SPD.

Dann werden eine Reihe von Geschäftsordnungen beschlossen, darunter die des Bundestages und die für den Vermittlungsausschuss. Am Mittwoch wählen die Abgeordneten schließlich die Bundeskanzlerin und hören ihre erste Regierungserklärung.

WIE SIND DIE BERUFE VERTEILT?

Die größte Gruppe stellen wieder einmal die Juristen. 143 oder gut 22 Prozent der Abgeordneten stammen nach Angaben des Bundeswahlleiters aus diesem Metier. Besonders hoch ist der Anteil mit rund 30 Prozent bei Union und FDP. Die nächst größere Gruppe bilden die Lehrer – mehr als 50 sind es, die meisten bei der SPD. 14 Abgeordnete sind Gewerkschaftssekretäre, 13 Unternehmer. Acht kommen aus landwirtschaftlichen Berufen, einer ist Bergmann. Zwei haben Künstler als Beruf angegeben, neun sind Ärzte, sechs studieren noch, darunter der jüngste Abgeordnete Florian Bernschneider (siehe Kasten). Auch ungewöhnliche Berufe gibt es: Agnes Krumwiede (Grüne) ist Konzertpianistin, Erik Schweickert (FDP) Professor für Weinwirtschaft, Katharina Landgraf (CDU) war Meliorationsingenieurin. Zwar hat sich die Fraktion der SPD arg verkleinert; verdoppeln konnten die Sozialdemokraten aber die Zahl der Arbeiter: Neben dem wiedergewählten Maurer Anton Schaaf hat jetzt auch der Elektrohauer Michael Gerdes ein Mandat.

WIE VIELE MIGRANTEN GIBT ES?

Insgesamt sind im neuen Bundestag 16 Abgeordnete mit Migrationshintergrund vertreten – das bedeutet nach der Definition des Statistischen Bundesamts, dass mindestens ein Elternteil keinen deutschen Pass hat. Fünf Abgeordnete haben türkische Wurzeln. Die anderen Parlamentarier mit Migrationshintergrund oder ihre Eltern kommen aus dem Iran, Indien, Polen, Kroatien und Spanien.

WAS STEHT EINEM ABGEORDNETEN ZU?

Bundestagsabgeordnete erhalten formal keine Gehälter, sondern eine steuerpflichtige Aufwandsentschädigung. Die orientiert sich an den Gehältern von Richtern an einem obersten Gerichtshof. Über die genaue Höhe bestimmen die Abgeordneten selbst, an die Richterbezüge reichten sie bislang nicht heran. Die Diäten betragen seit Anfang dieses Jahres 7668 Euro pro Monat. Darüber hinaus können Abgeordnete über eine Kostenpauschale von 3868 Euro verfügen, mit der sie in ihren Wahlkreisen Büros finanzieren oder Reisekosten, die „in Ausübung des Mandats anfallen“, decken können. Höhere Kosten können die Parlamentarier steuerlich nicht absetzen. Außerdem steht den Abgeordneten eine Netzkarte der Deutschen Bahn zu, die sie allerdings privat nicht nutzen dürfen. Für ihre Mitarbeiter haben die Abgeordneten 14 712 Euro monatlich zur Verfügung, die aber nicht die Parlamentarier selbst auszahlen, sondern die Bundestagsverwaltung. Zudem haben die Abgeordneten Anspruch auf ein Büro in Berlin. Geht ein Abgeordneter in Rente, erhält er eine Altersversorgung. Seit 1. Januar 2008 wird sie bereits nach einem Jahr Parlamentszugehörigkeit gezahlt. Nach dem ersten Jahr beträgt sie 2,5 Prozent der Abgeordnetenentschädigung und steigt mit jedem weiteren Jahr um 2,5 Prozent an. Der Höchstbetrag liegt bei 67,5 Prozent.

IST DER BUNDESTAG ZU GROSS?

Das Problem ist nicht so sehr die Zahl der Abgeordneten, sondern das Wahlverfahren, das Überhangmandate entstehen lässt. Im europäischen Vergleich liegt die Zahl der Parlamentarier im Durchschnitt (Frankreich 577 Abgeordnete, Italien 630, Großbritannien 646, Polen 460). Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate erringt, als ihr nach ihrem Zweitstimmenanteil eigentlich zustünden. Im 16. Bundestag gingen alle 24 Überhangmandate an die Union (21 an die CDU, drei an die CSU). Das Bundesverfassungsgericht hatte im Juli 2008 eine Korrektur verlangt; die Frist dafür läuft bis 2011. Einen Gesetzentwurf, um Überhangmandate zu verhindern, legten die Grünen bereits im Februar vor – er dürfte als Blaupause für eine Neuregelung dienen. Demnach sollen die Überhangmandate künftig über die Landesgrenzen hinweg verrechnet werden. Nach einer Reform würden die Gewinner der Direktmandate weiter direkt in den Bundestag einziehen. Dafür verlören die Kandidaten von den Landeslisten aus anderen Bundesländern ihren Platz. Eine derartige Lösung würde die CSU allerdings nicht erfassen. Da sie nur in Bayern antritt, können ihre Mandate nicht über Landesgrenzen verrechnet werden.

 Sebastian Bickerich

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