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Bundestag debattiert über rechte Gewalt: Zwischen den Extremen

Die Einigkeit währte nur kurz. Der Bundestag positionierte sich am Dienstag einstimmig gegen Gewalt von rechts. Allerdings stritten sich die Abgeordneten direkt im Anschluss wieder.

Von Antje Sirleschtov

Als Frank-Walter Steinmeier (SPD) um kurz vor halb elf ans Rednerpult trat, sah alles danach aus, als ob sich die Fraktionen des Bundestages – und zwar von der Union bis hin zur Linkspartei – auf ein gemeinsames Ziel verständigt hätten: die Bekämpfung des Rechtsradikalismus. Einstimmig war zuvor ein Entschließungsantrag verfasst worden, in dem die Abgeordneten die Regierung auffordern, die Neonazi-Mordserie aufzuklären, zu prüfen, ob sich aus den Ermittlungen Konsequenzen für ein NPD-Verbot ergeben, und die Strukturen der Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern „dringend“ zu überprüfen. „Ich danke Ihnen, Herr Präsident“, sagte der Oppositionsführer Steinmeier an den CDU-Abgeordneten Norbert Lammert, „für den der Lage angemessenen Beitrag“. Lammert hatte zuvor von einer Neonazi-Bande gesprochen und von der Trauer und Bestürzung über deren Taten. Der SPD-Fraktionschef Steinmeier ergänzte, was allseits gedacht wurde: „Der Staat hat auf beschämende Art und Weise versagt.“

Doch die Zufriedenheit im Plenum über die Gemeinsamkeiten im Kampf gegen rechts währte nicht lange. Sehr schnell folgte eine Auseinandersetzung über die Frage von Ursachen für das Ausbreiten von rechtem Extremismus. Und dabei teilte sich das Haus in zwei Lager: Koalition und Opposition. An Familienministerin Kristina Schröder (CDU) gerichtet warf Steinmeier der Regierung vor, gesellschaftliche Gruppen, die staatliche Unterstützung benötigen, um vor Ort gegen rechtes Gedankengut vorzugehen, unter „linksextremen Generalverdacht“ zu stellen, indem man von ihnen verlangt, sich im Gegenzug zur Förderung in einer Erklärung zum Grundgesetz zu verpflichten und dies auch allen abzuverlangen, die von staatlicher Förderung profitieren. Damit, so Steinmeier, schaffe man eine „Äquidistanz“ zu rechts und links, die leicht zur Verharmlosung der rechten Szene führen könne. „Es gibt aber keine linksextremen Schlägertrupps“, sagte der SPD-Mann und provozierte damit heftigen Widerspruch vor allem in der Union.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe konterte den Angriff scharf. „Unangemessen“ und „billige Polemik“ sei das, sagte Gröhe und verwies darauf, dass bereits zu rot-grünen Regierungszeiten vor der Gefahr gewarnt wurde, mit der finanziellen Unterstützung von Linksextremen die Rechtsextremen bekämpfen zu wollen. „Man kann nur Extremismus bekämpfen, wenn man sich zur Demokratie bekennt“, verteidigte Gröhe die sogenannte Extremismusklausel. Vertreter von SPD, Grünen und Linken forderten später, die Klausel und damit ein „Hindernis“ im Kampf gegen rechts zu beseitigen, was von Unionsseite zurückgewiesen wurde. Lediglich FDP-Generalsekretär Christian Lindner ließ durchblicken, dass man prinzipiell bereit sei, über die Beseitigung „aller Hindernisse“ zu sprechen, was zumindest als Offenheit für eine Prüfung der Klausel verstanden wurde. Das Familienministerium von Frau Schröder teilte nach der Debatte mit, dass nicht bekannt sei, dass bisher auch nur in einem einzigen Fall die staatliche Förderung von Projekten oder Einrichtungen, die sich gegen Neonazi-Aktivitäten richten, an der Klausel gescheitert sei. Alle Antragsteller hätten die Demokratie-Erklärung unterschrieben. Und auch den zweiten Vorwurf wies das Ministerium zurück. Den nämlich, dass das Geld nicht ausreichen würde. Bei den Präventionsprogrammen etwa seien bisher erst 77 Prozent der bereitgestellten Mittel abgerufen worden.

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