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630 Abgeordnete ziehen hier ein.

© dpa

Bundestag: Der bayerische Multiplikator

Überhang, Ausgleich und ein ganz besonderer CSU-Effekt im neuen Wahlrecht: Warum der neue Bundestag 32 Sitze mehr hat.

Das deutsche Wahlsystem gilt als kompliziert, ist aber eigentlich ganz einfach – für den Bürger. Zwei Kreuzchen, Erststimme, Zweitstimme, Wahlzettel falten und ab in die Urne oder den Briefwahlumschlag. Der komplizierte Teil kommt danach.

Denn das zweistufige Sitzzuteilungsverfahren ist nicht ganz einfach – weil es so gerecht wie möglich zugehen soll. Gerechtigkeit bedeutet nach dem neuen Wahlrecht, das am Sonntag erstmals galt, dass der Parteienproporz möglichst exakt sein muss. Und das heißt vor allem: Überhangmandate sind auszugleichen. Vor der Wahl gab es Befürchtungen, dadurch könne der Bundestag stark „aufgebläht“ werden – mit hohen Folgekosten. Am Ende sind es 630 Mandate geworden. Die Mindestsitzzahl liegt bei 598, das Plus beträgt also 32 Sitze. Der scheidende Bundestag hatte 622 Abgeordnete.

Vier Überhangmandate für die CDU

Vier Überhangmandate gibt es, alle für die CDU: in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und im Saarland. Dort hat die CDU über die Erststimmen jeweils alle Wahlkreise (mit einer Ausnahme in Brandenburg) gewonnen. Nach den Zweitstimmenergebnissen – und die sind für den Parteienproporz entscheidend – hätte der CDU aber in diesen Ländern jeweils ein Mandat weniger zugestanden. Da die Parteien direkt gewonnene Mandate immer behalten, entstanden so die vier „überproportionalen“ Überhangmandate. Es mussten Ausgleichsmandate zugeteilt werden: für die CDU (13), die SPD (neun), Linke (vier) und Grüne (zwei).

Doch warum so viele, und noch dazu an die CDU, nicht aber an die CSU? „Das hat mit Bayern zu tun“, erklärt der Politikwissenschaftler Joachim Behnke aus Friedrichshafen. Ein Großteil dieser Ausgleichsmandate entstand nämlich gar nicht wegen der Überhangmandate („da hätten fünf gereicht“, sagt Behnke), sondern weil ein Vorteil der CSU ausgeglichen werden musste. Der resultiert aus dem Stimmverhalten der bayerischen Bevölkerung, der Wahlbeteiligung und der Tatsache, dass die Sitzkontingente der Länder starr nach Bevölkerungszahl zugeteilt werden. In Bayern gehen immer relativ viele Zweitstimmen an kleine Parteien, die in anderen Ländern kaum eine oder gar keine Rolle spielen (Freie Wähler, ÖDP, Bayernpartei) und im Bundestag nicht vertreten sind. Deren Stimmen zählen damit nicht. Dadurch entsteht laut Behnke aber eine „Überrepräsentation“ der CSU, die kompensiert werden muss – insgesamt ging es um drei Sitze. Da die CSU, bundesweit gesehen, eine kleine Partei ist, führt das zu einer relativ großen Zahl an Ausgleichsmandaten für andere Parteien. 23 der 28 Ausgleichsmandate fielen daher wegen dieser bayerischen Besonderheiten an.

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