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Problem Bayern: Die CSU-Ausgleichsmandate lassen den Bundestag stetig wachsen - hier Bürgerinnen in Oberbayern bei der Stimmabgabe zur Europawahl.

© Tobias Hase/dpa

Bundestag zu groß?: Lammert will Wahlrecht bis 2017 ändern

Der Bundestag wächst neuerdings mit jeder Wahl. Parlamentspräsident Lammert will das ändern. Vorschläge gibt es bereits. Und auch für eine längere Legislaturperiode des Bundestages spricht sich Lammert erneut aus.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat seine Kritik am geltenden Bundestagswahlrecht erneuert und eine Reform noch vor der nächsten Wahl 2017 gefordert. „Das deutsche Wahlsystem ist kompliziert, und die Mandatsverteilung für die meisten Wähler undurchschaubar“, sagte Lammert der „Welt am Sonntag“. Außerdem sei es ein „abstruser Zustand“, wie das Parlament durch Überhangmandate aufgebläht werde. Regulär hat der Bundestag 598 Abgeordnete, nach der Wahl 2009 waren es 622, 2013 allerdings schon 630.

120 Mandate plus dank der CSU?

Der Politikwissenschaftler Joachim Behnke stimmt Lammerts Kritik im Grundsatz zu: „Das Wahlsystem ist reformbedürftig.“ Allerdings waren es 2013 nicht die Überhangmandate, die den Bundestag aufblähten – also die Mandate, die ausgeglichen werden müssen, wenn eine Partei in einem Land mehr direkt gewählte Abgeordnete in den Bundestag schickt als ihr per – entscheidendem – Zweitstimmenergebnis zustehen. Das größte Risiko, so Behnke, sei Bayerns CSU – wofür die Überhangmandate freilich eine Rolle spielen: Die CSU tritt nur in Bayern an, ihre Übermacht bei den Direktkandidaturen müsse aber bundesweit ausgeglichen werden. Jedes Überhangmandat der CSU, so Behnke, schlage mit 15 bis 20 Abgeordneten mehr im Bundestag zu Buche. „Im nächsten Bundestag könnte das, je nach CSU-Ergebnis, zu einem Plus von 120 Mandaten führen.“

Forscher: Zwei Wahlkreise kombinieren

Abhilfevorschläge hat die etwa seit zehn Jahren laufende Debatte einige hervorgebracht, sein „persönlicher Lieblingsvorschlag“ wäre der, zwei Wahlkreise zu kombinieren und dort auch zwei Direktmandate zu vergeben. So könne nicht nur die je stärkste, sondern auch die zweitstärkste Partei eine Kandidatin oder Kandidaten nach Berlin schicken; die Direktmandate-Übermacht einer Partei wäre deutlich reduziert.

Die Parteien zeigen sich seit Längerem besorgt über den Rückgang der Wahlbeteiligung und wollen jetzt dagegen angehen. Das Wahlrecht dürfte allerdings kaum schuld sein. Erhebungen haben ergeben, dass das soziale Gründe hat; es sind vor allem Arme und Benachteiligte, die nicht wählen gehen.

Bundestagspräsident Lammert erneuerte in einem Interview mit der "Welt" zugleich seine Forderung, die derzeit vierjährige Legislaturperiode des Bundestages zu erweitern. "Es gibt gute Gründe, die Legislaturperiode des Bundestages auf fünf Jahre zu verlängern. Im Parlament gibt es seit langem dafür eine haushohe, virtuelle Mehrheit", sagte Lammert. Er tritt seit längerem für eine fünfjährige Legislaturperiode des Bundestages ein, wie sie in allen Bundesländern außer Bremen sowie beim Europaparlament besteht.

Im Unterschied zu anderen Abgeordneten sei er aber "nicht dafür, im Gegenzug Plebiszite auf Bundesebene einzuführen", hob Lammert hervor. Dies würde "die Architektur unseres politischen Systems nachhaltig verändern". Dagegen sei "eine längere Legislaturperiode eine schlichte Frage der Zweckmäßigkeit, keine Grundsatzfrage". Fast alle Parlamente in Deutschland und Europa würden alle fünf Jahre gewählt, sagte der Bundestagspräsident. Außerdem werde "nirgendwo so oft gewählt wie bei uns: Bürgermeister und Landräte, Stadträte und Kreistage, Landtage, der Bundestag, das Europäische Parlament". "Dies fördert die Wahlbeteiligung erkennbar nicht", gab der CDU-Politiker zu bedenken.

Die ständigen Wahlkämpfe schränkten "die Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestages faktisch erkennbar ein", sagte Lammert. "Eine fünfjährige Wahlperiode würde diesen Umstand relativieren." (mit AFP)

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