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Angela Merkel (CDU) und Martin Schulz (SPD).

© Gregor Fischer/dpa

Bundestagswahl 2017: Die Union profitiert vom Erfolg der SPD

Es ist eine unerwartete Dynamik: Im Bundestagswahlkampf saugt die Union ihre Energie aus dem Enthusiasmus der SPD. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Was ist Angela Merkel nach zwölf Amtsjahren als Bundeskanzlerin vorzuwerfen? Die drei wesentlichen Vorhaltungen sind die Europapolitik (zu nachgiebig), die Energiewende (zu teuer) und die Flüchtlingspolitik (zu viele). Doch im Wahlkampf werden sie wohl keine große Rolle spielen. Denn alle fünf im Bundestag vertretenen Parteien haben mitgemacht – die einen mehr, die anderen weniger prononciert. Merkels umstrittenste Entscheidungen waren von einem überparteilichen parlamentarischen Konsens getragen. Und die Partei, die außerparlamentarisch die derbste Kritik daran übt, rutscht in den Umfragen gerade massiv ab, unter die Zehn-Prozent-Marke.

Außerdem können die besten Argumente, die sich gegen Europa-, Energie- und Flüchtlingspolitik vorbringen lassen, nicht die hohe Zustimmungsrate verdecken, mit der auch die Bevölkerung diese Politik begleitet hat. Sollten Fehler gemacht worden sein, resultierten sie zumindest aus lauteren Motiven. Vielleicht war man zu geduldig mit hochverschuldeten Euro-Staaten, vielleicht zu ökologisch naiv, als es um den beschleunigten Atomausstieg ging, vielleicht zu grenzenlos humanitär, als syrische Bürgerkriegsflüchtlinge vor der Tür standen. Aber an guten Vorsätzen zu scheitern gilt gemeinhin als ehrenhafter, als mit schlechten Absichten erfolgreich zu sein.

Nein, ums Grundsätzliche wird sich der Bundestagswahlkampf nicht drehen. Deshalb kramen die Sozialdemokraten das Thema soziale Gerechtigkeit wieder aus, während die Union auf Familie und Innovation setzt. Das sind keine Kracher, allenfalls erwartbare Pflichtprogramme. Entscheidender für das Wahlergebnis dürfte die Stimmungslage sein.

Nie wieder GroKo unter Merkel, heißt die Devise

Die Genossen sind wild entschlossen, endlich mal wieder den Kanzler zu stellen. In Martin Schulz haben sie einen Kandidaten gefunden, der einerseits erfahren genug und andererseits unbelastet zu sein scheint von den Verstrickungen, die verursacht wurden durchs jahrelange Fungieren als Juniorpartner in einer großen Koalition. Nie wieder GroKo unter Merkel, heißt die Devise. Das spornt an. Egal, in welcher Machtkonstellation: Wenn’s rechnerisch für ihn reicht, bastelt sich Schulz eine entsprechende Koalition.

Genau diese Aussicht indes könnte den an Enthusiasmus bislang eher armen Wahlkampf von CDU und CSU beflügeln, dessen einzige Botschaft hieß: Weiter so! Nach zwölf Regierungsjahren fällt es nun mal schwer, beim Wähler kein Hamsterrad-Gefühl zu wecken, sondern eines, das mit Aufbruch und Visionen zu tun hat.

Im Englischen gibt es den Begriff des „energy sucker“ oder auch „energy vampire“. Gemeint sind Menschen, die ihre eigene Energie allein aus der Energie anderer beziehen. So ähnlich macht es die Union mit der SPD: Je stärker sich diese von einem rot-rot-grünen Bündnis verlocken lässt, desto leidenschaftlicher wird an dem möglichst gruseligen Gemälde eines solchen Gespenstes gearbeitet.

Ein „Zeit“-Kommentator drückte diese Dynamik nach der Saarland-Wahl in einem Tweet so aus: „Teuflische Dialektik: Je wahrscheinlicher Rot-Rot-Grün wird, desto unwahrscheinlicher wird es.“

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