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Bundesverfassungsgericht: Karlsruhe stoppt Wahlcomputer

Während der Bundestagswahl 2005 wurden Wahlcomputer getestet. Die Abstimmung per Knopfdruck entspreche nicht dem Grundgesetz und sei damit verfassungswidrig, entschieden die Richter des Bundesverfassungsgerichts. Trotz dieser Entscheidung werde der Bundestag nicht vorzeitig aufgelöst.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Einsatz von Wahlcomputern in Deutschland gestoppt. Die rund 1800 Geräte, an denen bei der Bundestagswahl 2005 rund zwei Millionen Bürger ihre Stimmen abgegeben haben, widersprechen dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Wahl, heißt es in einem Urteil vom Dienstag. Die Entscheidung führt jedoch nicht zur Auflösung des Bundestags, weil es laut Gericht keine Hinweise auf Fehler oder Manipulationen an den Wahlgeräten gibt und deshalb der "Bestandsschutz der Volksvertretung überwiegt".

Dem Urteil zufolge dürfen bei Bundestagswahlen zwar Wahlmaschinen grundsätzlich eingesetzt werden. Da aber Programmierfehler oder gezielte Manipulation der Software schwer zu erkennen seien, müssten Bürger bei ihrer Stimmabgabe "zuverlässig" prüfen können, ob die Stimme vom Computer "unverfälscht" erfasst wurde. Als Beispiel dafür hatte das Gericht in der mündlichen Verhandlung einen zusätzlichen Papierausdruck genannt.

Nach Ansicht von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) sind mit dem Urteil zu den Wahlcomputern Maßstäbe für die Vorbereitung der Bundestagswahl im September und anderer Wahlen gesetzt worden. Das Bundesverfassungsgericht habe weder Wahlfälschung bei der Wahl 2005 festgestellt noch die Nutzung von Wahlcomputern prinzipiell ausgeschlossen, sagte Lammert. "Ich vermute, dass wir bei der nächsten Bundestagswahl wieder ganz traditionell mit Bleistift und Stimmzettel wählen werden", sagte der Vorsitzende des Wahlprüfungsausschusses des Bundestags, Thomas Strobl (CDU).

Der Zweite Senat urteilte über Wahlprüfungsbeschwerden des Informatikers Ulrich Wiesner und seines Vaters, des Politikwissenschaftlers Joachim Wiesner. Letzterer sieht in dem Urteil den endgültigen Garaus für Wahlcomputer: "Kein Computer kann das leisten, was das Verfassungsgericht heute beschlossen hat."

Rund zwei Millionen Wähler hatten bei der Bundestagswahl 2005 ihr Votum per Wahlcomputer abgegeben. Die elektronischen Wahlgeräte wurden bundesweit in 39 der 299 Wahlkreise aufgestellt, und zwar in den Bundesländern Brandenburg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt. Um echte "Computer" handelt es sich jedoch nicht, Elektronik und Software sind nicht aufwendiger als bei einer Waschmaschine oder einem Drucker. Gesteuert wird das Gerät über eine Software, die auf zwei fest integrierten Chips gespeichert wird. Ein Speichermodul, das wie eine Kassette in das Gerät eingesteckt wird, dient als elektronische "Wahlurne". Die holländischen Nedap-Computer wurden in Deutschland erstmals bei der Europawahl 1999 und zuletzt im September 2008 bei der Kommunalwahl in Brandenburg eingesetzt. (ml/dpa/AFP)

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