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Bundesverfassungsgericht: Koalitionsstreit um Richter-Wahl

Die Union blockiert den SPD-Vorschlag für den Vizepräsidenten des Verfassungsgerichts. Die Begründung: Der Kandidat, Staatsrechtslehrers Horst Dreier, nehme den Schutz von Embryonen nicht in der gebotenen Weise ernst.

Die Wahl des Würzburger Professors und Staatsrechtslehrers Horst Dreier zum Richter und Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts stößt in der CDU auf wachsenden Widerstand. Nach Berichten der „Welt“ und verschiedener Nachrichtenagenturen teilte die Union der SPD inzwischen mit, Dreier sei in der Partei nicht durchsetzbar. Die Begründung sei, dass Dreier den Schutz von Embryonen nicht in der gebotenen Weise ernst nehme. Damit steht die für den 15. Februar geplante Wahl des Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts im Bundesrat infrage. Sollte die Wahl verschoben werden, müsste der jetzige Vizepräsident Winfried Hassemer in Karlsruhe weiterarbeiten, bis sich die Parteien mit Zwei-Drittel-Mehrheit auf seinen Nachfolger geeinigt haben.

Dreier sollte zunächst Vizepräsident und im Februar 2010 Präsident des Verfassungsgerichts werden, wenn Hans-Jürgen Papier ausscheidet. „Nun muss die SPD einen neuen Vorschlag bringen“, hieß es aus Unionskreisen.

Die Vorwürfe der Union, Dreier missachte die Menschenwürde nicht implantierter Embryonen, sind vage. Denn das Bundesverfassungsgericht hat in seinen Abtreibungsurteilen selbst offen gelassen, ob bereits mit Befruchtung der Eizelle der Lebensschutz beginnt. Nach der Rechtsprechung beginnt die Würde des – werdenden – Menschen mit der Einnistung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter. Grund für diese Differenzierung war neben anderen, dass andernfalls die Spirale als Verhütungsmittel rechtswidrig wäre. Denn sie verhindert die Einnistung befruchteter Eizellen. Hätte bereits die befruchtete Eizelle Menschenwürde, käme die Verhütungsmethode einer Abtreibung gleich.

Dreier hat in einem Aufsatz in der Juristenzeitung im März 2007 darauf hingewiesen, dass folglich auch bei künstlich befruchteten Eizellen im Reagenzglas noch kein Lebensschutz bestehe. Eine Liberalisierung des Embryonenschutzgesetzes sei deshalb nicht verfassungswidrig. Diese Auffassung stößt nun auf Kritik der Union.

Aber auch von ganz anderer Seite kam am Freitag Kritik an der geplanten Wahl, nämlich von Amnesty International und der Linken. Beide werfen Dreier eine Relativierung des Folterverbots vor und halten ihn deshalb als Bundesverfassungsrichter und Vizepräsident des Gerichts für untragbar.

Sie beziehen sich dabei auf seinen Grundgesetzkommentar. Dort kommentiert der 53-jährige Jurist den theoretischen Fall, dass die Menschenwürde eines Verbrechensopfers nur gewahrt werden könne, wenn in die Menschenwürde des mutmaßlichen Verbrechers eingegriffen werde. In solch einer Konstellation, so kommentiert Dreier, dürfe der „Rechtsgedanke der rechtfertigenden Pflichtenkollision nicht von vornherein auszuschließen sein.“ Folter bedeutet nach ständiger Rechtsprechung einen Eingriff in die Menschenwürde des Beschuldigten. Kritiker interpretieren die Stelle deshalb so, dass in Extremfällen Folter nicht strafbar sei, sondern gerechtfertigt werden könne, weil sich der Staat in einer Zwangslage befinde. Dreier selbst äußerte sich bisher nicht dazu.(mit ddp)

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