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Bundesverfassungsgericht: Überwachung entlassener Sicherungsverwahrter braucht Regeln

Kaum kommen sie frei, rückt die Polizei an: In manchen Bundesländern werden die Ex-Straftäter lückenlos beobachtet. Ob das Gesetz das hergibt, ist zweifelhaft

Berlin/Karlsruhe - Die polizeiliche Dauerbeobachtung von entlassenen Sicherungsverwahrten ist möglicherweise rechtswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss eine Neuregelung für die Überwachung von als gefährlich eingestuften Ex-Straftätern in den Ländergesetzen angemahnt. Es handele sich dabei um eine „neue Form einer polizeilichen Maßnahme“, die „möglicherweise einer ausdrücklichen, detaillierten Ermächtigungsgrundlage bedarf“. Reagiere der Gesetzgeber darauf nicht, nehme er in Kauf, dass Gerichte die Observation künftig nicht mehr zuließen.

Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverfassungsgerichts kamen Dutzende Verwahrter auf freien Fuß, weil ihre Haft zu Unrecht nachträglich verlängert worden war. Nur vereinzelt gab es Rückfälle. Oftmals übernahm die Polizei die Dauerüberwachung der Entlassenen. So wurde auch der Kläger, der mehrfach wegen Vergewaltigung verurteilt worden war, ständig überwacht. Die Polizisten saßen im Auto vor der Tür seiner Unterkunft, hielten sich dort in der Küche auf und ließen ihn nur in seinem Zimmer oder bei Terminen mit Ärzten oder Rechtsanwälten allein. Sprach er eine Frau an, wurde diese von den Beamten vor ihm gewarnt.

Der Mann zog dagegen vergeblich in einem Eilverfahren vor Gericht. Erst das Bundesverfassungsgericht verlangte nun, dass sein Fall neu geprüft werden müsse. Zwar sei die von der Baden-Württemberger Polizei herangezogene generelle Eingriffsklausel „noch tragfähig“, jedoch nur, weil es um ein Eilverfahren gehe. In einem Hauptsacheverfahren müsse geklärt werden, ob es hier eine Regelungslücke gebe. Weil die Observation die Grundrechte des Klägers stark einschränke, müsse sie sich auf aktuelle Erkenntnisse zu seiner Gefährlichkeit stützen. Die letzte psychiatrische Begutachtung hatte jedoch stattgefunden, als der Mann noch in Sicherungsverwahrung saß. Nach Ansicht der Richter war diese Diagnose zu alt.

Die Länder gehen ein Risiko ein, wenn sie nun kein eigenes Gesetz für die Überwachung schaffen. Die umstrittene Maßnahme ist immer wieder Thema vor Gericht. Meist werden die Kläger bisher abgewiesen. Wie Berlin reagiert, ist offen. Erst wolle man das Urteil analysieren, dann über weitere Schritte entscheiden, sagte ein Sprecher von Innensenator Frank Henkel (CDU).

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